BETEN

Geschrieben am 11.07.2020
von Joachim Heisel

Beten ist Gespräch mit Gott. Jedes Gespräch und jede Beziehung lebt vom Austausch. Als ich einmal mit der Frau eines Freundes sprach, sagte sie mir, dass ihr Mann  nach einem  Streit tagelang nicht mehr mit ihr sprach. Das hat diese Beziehung natürlich sehr belastet. Wenn das ein Dauerzustand wird, dann hat eine solche Beziehung keine Zukunft. Bei vielen gescheiterten Ehen wird auch oft berichtet, dass sich die Eheleute nicht mehr zugehört haben.

Wenn zwei Menschen  länger nicht mehr miteinander sprechen, kommt irgendwann der Zeitpunkt, wo man sich auch nichts mehr zu sagen hat. Mit Gott kann es uns genauso gehen. Das passiert heute vielen Menschen in ihrer Beziehung zu Gott. Sie haben schon lange nicht mehr mit ihm gesprochen. Und irgendwann hat man sich nichts mehr zu sagen.

Und doch sollte das Gebet wie unser tägliches Brot sein. Christus hat zu seinen Jüngern gesagt: „Der Mensch lebt nicht vom Brot allein sondern von jedem Wort aus Gottes Mund (Mt 4,4,)“. Wenn wir einen  Tag oder zwei Tage oder auch länger nicht essen, passiert nichts außer dass wir Hunger haben und uns etwas matt fühlen können. Wenn wir aber länger keine Nahrung zu uns nehmen, werden wir schwach und können nicht mehr arbeiten.

Im Evangelium heißt es, dass die Jünger sahen wie Jesus betete, und sie baten ihn: Herr, lehre uns beten. Und Christus lehrte sie das Vaterunser (Mt 6,9-13; Lk 11,2-4). Sicher haben sie später, wenn sie selbst mit ihrer Gemeinde das Vaterunser gebetet haben, oft an diesem Moment zurückgedacht.

Wir selber können im Evangelium sehen, wie Jesus auch sonst gebetet hat. Er hat vor allem vor wichtigen Entscheidungen gebetet, zum Beispiel bei der Wahl seiner Jünger (vgl. Lk 6,12-16) oder auch vor seinem Leiden im Garten Getsemani (Mt 26,36-46; Lk 22,40-46) und vor den  großen Wundern, die er gewirkt hat, z.B. die Auferweckung des Lazarus (vgl. Joh 2,1-46).

Das Gebet verlangt Anstrengung, um all unsere Vermögen: Gedächtnis, Vorstellungskraft, Verstand, Willen und Gemüt auf Gott hin lenken zu können. Das Gefühl hat hier natürlich auch je nach Temperament seinen Platz. Christus gibt uns dazu einen Ratschlag: „Geh in deine Kammer wenn du betest und schließ die Tür zu, dann bete zu deinem Vater (Mt 6,6,)“. Dabei dürfen wir natürlich unseren Alltag mit hinein lassen mit all seinen Freuden und auch unseren Leiden und ihn in der Gegenwart Gottes  betrachten und erwägen. Ich spreche hier nicht vom mündlichen sondern vom sogenannten betrachtenden Gebet.

In einer Ansprache vom März 1979 über das Gebet sagt Johannes Paul II: Beten heißt, unsere Begrenzungen und unsere Abhängigkeit anerkennen. Wir kommen von Gott, Wir sind Gottes und wir kehren zu Gott zurück. Deshalb können wir nichts anderes tun als uns ihm, unserem Schöpfer und Herrn voll Vertrauen zu überlassen. Das Gebet ist vor allem ein Akt des Verstandes und des Willens, ein Empfinden der Demut und der Anerkennung, eine Haltung des Vertrauens und der Hingabe an den, der uns aus Liebe das Leben geschenkt hat. Das Gebet ist ein geheimnisvoller, aber wirklicher Dialog mit Gott, ein Dialog des Vertrauens und der Liebe.

Um beten zu können, brauchen wir Glauben und Vertrauen, denn sonst wüssten wir nicht, wozu beten gut sein soll. Dazu  müssen wir glauben, dass es Gott gibt und dass er uns hört und auch erhört.

Aber es kommt noch etwas anderes dazu: Wir müssen uns bedürftig fühlen. Vor Jahren zerbrach die Ehe eines meiner besten Freunde. Er war recht vermögend und konnte sich zusammen mit seiner Familie viel leisten. Ich habe ihn gefragt: Kann es sein, dass es euch zu gut ging?  Und er sagte zu mir: Ja, das kann sein.

Eine Möglichkeit warum wir Gott nicht brauchen, kann sein, dass wir alles haben, dass es uns  gut, vielleicht sogar zu gut  geht, dass wir schon satt sind und gar nichts mehr brauchen, auch Gott nicht. Gott braucht uns nicht. Wir aber brauchen ihn, wenn unser Leben gelingen soll, auch dann, wenn es (scheinbar)  scheitert. Es sind oft gerade Menschen, die eklatant scheitern und dadurch erst den Weg zu Gott finden. Ein Beispiel dafür ist der sogenannte Schächer Dimas, ein Verbrecher, der mit Jesus gekreuzigt wurde (vgl. Lk 23,39ff) und der im letzten Augenblick seines Lebens zu Gott fand.

Bei seiner Rede vom Reich Gottes gebraucht Christus das Gleichnis vom Sämann und zeigt bildlich die Gründe auf, warum  Menschen die Stimme Gottes  nicht hören. Er schildert, wie ein Sämann Samen auf einen Acker sät. Ein Teil der Saat fiel in die Dornen und die Dornen wuchsen und erstickten die Saat. Und er fährt fort: „In die Dornen ist der Samen bei dem gefallen, der das Wort hört, und die Sorgen dieser Welt und der trügerische Reichtum ersticken es und es bleibt ohne Frucht. Auf guten Boden ist der Samen bei dem gesät, der das Wort hört und es auch versteht; er bringt Frucht - hundertfach oder sechzigfach oder dreißigfach (vgl. Mt 13,1-23)“.

Gebet ist der große Katalysator, der Sinn in unseren Alltag bringt- selbst da wo wir Sinn von uns aus kaum sehen können.

In dem Buch Feuer der Schmiede des hl. Josemaria heißt es im Punkt 534: Auch du brauchst wie alle Kinder Gottes das persönliche Gebet, einen vertrauten, unmittelbaren Umgang mit unserem Herrn, ein echtes Zwiegespräch.

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