RÜCKWÄRTS VERSTEHEN

Geschrieben am 26.01.2022
von Joachim Heisel


Verstehen kann man das Leben rückwärts; leben muss man es aber vorwärts (Soeren Kierkegaard (1813-1855).

Im Rückblick auf ein vergangenes Jahr sehen wir, was es  an Gutem und an Schlechtem gebracht hat und manchmal ist es  schwer zu unterscheiden. Oft erkennt man erst nach Jahren, dass Dinge, die zunächst schlecht erschienen, sich im Nachhinein positiv auswirkten und umgekehrt.

Meinem Vater wurde  im Alter von vierzig Jahren in seiner Firma wegen Krankheit gekündigt. Er war darüber sehr verzweifelt und fürchtete arbeitslos zu werden. Doch er ergriff die Chance, eine Zusatzausbildung zu machen und sich selbstständig zu machen. Nach einigen Jahren erkannte er, dass die negative Tatsache der Kündigung ihm den Anstoß gegeben hatte, sich beruflich weiterzuentwickeln.

Der Schwiegersohn einer Freundin verpasste in Südamerika einen Flieger, der kurz nach dem Start im Urwald abstürzte.

Eine Patientin von mir erzählte, wie sie als junge Frau einem Verwandten, der  unter der Nazi-Herrschaft aus politischen Gründen  im Gefängnis saß, ein Glas Marmelade bei einem Besuch im Gefängnis mitbrachte, um ihm eine Freude zu machen und er sich  dann mit den Scherben des Glases die Adern durchschnitt. Diese Erinnerung ist ihr ein Leben lang traumatisch haften geblieben.

In einer  Gedächtnissendung Sendung über Nine Eleven und den Einsturz der Twin Towers wurde im Bayerischen Fernsehen ein Interview gesendet: Eine  kleine Nichte hatte an dem Tag von Nine Eleven  aus Anlass ihres Geburtstags mit ihrem Onkel in New York früh morgens so lange telefoniert, dass er erstmals nicht pünktlich zur Arbeit in den Twin Towers kommen konnte…Seitdem sind die beiden  besonders verbunden und telefonieren oft miteinander, besonders am 11.September jeden Jahres…ihrem Geburtstag…

Gerade im Alter entsteht der Wunsch, das Leben nochmals Revue passieren zu lassen und eine Bilanz zu ziehen. Meist wird sie lauten: Es war nicht alles gut, aber es war auch nicht alles schlecht.

Christen glauben an ein Leben nach dem Tod. In seiner Enzyklika er  „Spe salvi“ Nr. 35 (Tun und Leiden als Lernorte der Hoffnung) schrieb Papst Bebedikt:

Wenn wir nicht auf mehr hoffen dürfen als auf das jeweils gerade Erreichbare und auf das, was die herrschenden politischen und wirtschaftlichen Mächte zu hoffen geben, wird unser Leben bald hoffnungslos. Es ist wichtig zu wissen: Ich darf immer noch hoffen, auch wenn ich für mein Leben oder für meine Geschichtsstunde augenscheinlich nichts mehr zu erwarten habe. Nur die große Hoffnungsgewissheit, dass trotz allen Scheiterns mein eigenes Leben und die Geschichte im ganzen in einer unzerstörbaren Macht der Liebe geborgen ist und von ihr her, für sie Sinn und Bedeutung hat, kann dann noch Mut zum Wirken und zum Weitergehen schenken.

Den ganzen Text der Enzyklika  kann man leicht im Internet abrufen.

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