DEINE WUNDEN WERDEN HEILEN

Geschrieben am 11.03.2020
von Joachim Heisel

Es ist Fastenzeit, die Zeit zwischen Aschermittwoch und Ostern, in der uns die Kirche zu Konsumverzicht und Solidarität mit unseren Nächsten aufruft. Dazu schreibt der Prophet Jesaja um 740 v. Chr. Worte, die wir uns auch heute noch zu Herzen nehmen können. Er sagt: Das ist ein Fasten wie ich es liebe: wenn du einen Nackten siehst und ihn bekleidest und dich deinen Verwandten nicht entziehst, dann wird dein Licht hervorbrechen wie die Morgenröte und deine Wunden werden schnell heilen (Jes 58,8). Der Prophet Jesaja  war wohl  verheiratet und hatte Kinder. Er wusste, wovon er sprach. Einen Nackten zu bekleiden, kommt in unserem Alltag kaum vor. Aber wer heiratet, stellt früher oder später fest, dass er oder sie nicht nur die Frau oder den Mann geheiratet hat sondern gewissermaßen auch die jeweilige Verwandtschaft, im Guten und im Schlechten. In den Verwandten den Nächsten zu sehen, fällt manchmal schwer, vor allem, wenn sie nicht unseren Vorstellungen entsprechen. Vielleicht hatte Jesaja auch  selbst hier ein Problem. Mutter Teresa schreibt: „Es ist leicht, für Menschen in der Ferne zu beten. Es ist nicht immer leicht, die Menschen in unserer Nähe zu lieben. Es ist leichter, eine Tasse Reis zu geben, um den Hunger zu mildern, als die Einsamkeit und den Schmerz eines Menschen, der ungeliebt in deinem Hause wohnt, zu erkennen. Verbreite Liebe in deinem Haus, denn es ist der Ort, an dem die Liebe zueinander beginnen muss“. Das kostet manchmal echte Anstrengung. Ich erinnere mich an einen entfernten Onkel, der Mann der Tante meines Vaters. Beide hatten nur einen Sohn, Karl, der in den letzten Tagen des Krieges mit 18 Jahren fiel. Später starb auch die Tante, so dass der Onkel am Schluss ganz allein in einem Männerheim wohnte. Das war in den 1950er Jahren, als es  noch keine Altenheime im heutigen Sinne gab. Meine Eltern haben ihn öfter zu uns nachhause eingeladen. Onkel Mäthi so nannten wir ihn, hat mir manchmal auch Geld geschenkt. Als Junge von 12 Jahren hatte ich damals wenig Sinn dafür, dass ich ihn wohl an seinen Sohn erinnerte. Heute denke ich, es wäre gut gewesen, wenn ich ihn öfter besucht hätte.

Bei dem, der sich um die Wunden und Verletzungen der anderen kümmert und Liebe gibt, ohne gleich zu erwarten, dass er etwas dafür bekommt, werden eigene Wunden und Verletzungen schnell verheilen, weil er ihnen nicht so viel Bedeutung gibt. Nun ist es ja nicht so, dass die Menschen in unserer Verwandtschaft und Umgebung uns alle auf die Nerven fallen. Wenn das so wäre, müssten wir die Ursache eher bei uns selber suchen. Da ist auch viel Raum für Freundschaft und gute Beziehung. Es gibt aber auch die „Fälle“, wo es schwer fällt,  Kontakt zu halten, z.B. chronisch Kranke, die uns mit ihren Klagen auf die Nerven fallen. Hier können wir uns in einem Werk der sogenannten geistigen Barmherzigkeit üben, nämlich: die Lästigen geduldig ertragen. Dann wird – so verspricht uns jedenfalls der Prophet - unser Licht hervorbrechen wie die Morgenröte und unsere Wunden werden schnell heilen. Probieren wir es doch einmal aus in dieser Fastenzeit, die noch fast einen Monat dauert…

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