UNSERE DURCHKREUZTEN PLÄNE

Geschrieben am 10.04.2020
von Joachim Heisel


In der Sendung „Deutschland betet gemeinsam“ des Gebetshauses Augsburg mit Johannes Hartl sprach eine junge Frau von den „zersprungenen Plänen“, die sie in die Hand Gottes legen möchte und von dem Leid, das Corona uns gebracht hat und noch bringen wird. Ein verstorbener guter Freund mit reicher Lebenserfahrung sprach immer wieder von den „durchkreuzten Wegen“ in seinem Leben und meinte damit die Erfahrung, dass Gott an seinen eigenen Wegen auch immer wieder Kreuze aufgestellt hat. Gleichzeitig sagte er, dass das Kreuzzeichen ein Pluszeichen ist, denn das Kreuz könne uns  helfen, zum Wesentlichen in unserem Leben zu kommen. Unsere Vorfahren haben aus dieser Gesinnung heraus in Wald und Flur Wegkreuze errichtet. Am Karfreitag betet die Kirche: Im Kreuz ist Heil, im Kreuz ist Leben, im Kreuz ist Hoffnung.

Kreuz und Leid sind keine Strafe Gottes. Aber sie können uns zur Besinnung führen. Auch Corona ist keine Strafe Gottes, aber stellt uns vor die Frage: Warum lässt Gott das zu? Darauf gibt es keine schlüssige Antwort. Aber als gläubige Christen vertrauen wir weiter auf die Güte Gottes und auf seine Vorsehung. Wir glauben, dass er uns auch in den dunklen Stunden unseres Lebens nicht ganz loslässt. Er kann auch das, was uns schlecht erscheint, zum Guten für uns lenken.

Doch können und sollen wir uns fragen: Was will Gott uns mit Corona sagen?

Vielleicht will er uns sagen: Ihr könnt nicht alles allein machen ohne die Anderen und auch nicht ohne mich. Jetzt müsst ihr euch voneinander getrennt halten, damit ihr erkennt,  dass ihr zusammengehört. Wenn ihr das Kreuz aus eurem Leben entfernt, lebt ihr nur noch als Konsumenten. - Das ist nicht leicht zu akzeptieren, weil es uns an unserer empfindlichsten Stelle berührt: Unserem Wunsch nach Autonomie, in unserem Stolz, in unserem  hemmungslosen Streben nach  Leistung und Konsum.

Wir sind in der Karwoche, der Woche der großen Krise im Leben Jesu. Auch wir befinden uns in einer Krise, deren Ende und Folgen noch nicht abzusehen sind. Vor seinem Leiden hat Jesus im Garten Getsemani gebetet. Vor vielen Kirchen in Bayern gibt es Darstellungen dieses Gebetes. Sie zeigen Christus im Garten Getsemani mit gefalteten Händen, wie er auf dem Boden kniet und in innigem Gebet zum Vater aufschaut und in Vorausschau seines Leidens betet. Christus stellt sein Leiden hinein in die Beziehung zu seinem Vater:„Mein Vater, wenn es möglich ist, gehe dieser Kelch an mir vorüber“ (Mt 26,39). „Vater, wenn du willst, nimm diesen Kelch von mir! Aber nicht mein, sondern dein Wille soll geschehen“ (Lk 22,42)

Durch die Taufe treten wir auf geheimnisvolle Weise in innige Gemeinschaft mit Christus wie Schwestern und Brüder. Wir werden identisch mit ihm. Paulus geht soweit, dass er sagt: Nicht mehr ich lebe, sondern Christus lebt in mir (Gal 2,20). Christus lädt uns dazu ein, mit ihm Freud und Leid zu teilen. Er sagt zu uns: Wer mein Jünger sein will, nehme sein Kreuz auf sich und folge mir nach (Lk 9,23), denn mein Joch ist sanft und meine Bürde ist leicht (Mt 11,30).

Christus . spricht in seinem Gebet als ein Mensch, der wie wir das Leiden instinktiv ablehnt, weil es seiner ursprünglichen Natur zuwider ist. Wenn wir aber in unseren Leiden zusammen mit Christus im Getsemani unseres Herzens langsam sprechen: „Vater, aber nicht, was ich will, sondern was du willst, soll geschehen“ (Mk 14,36), dann erhält auch unser Leiden einen Sinn, den es von sich aus nicht hat. Damit treten wir gewissermaßen in die erlösende Gehorsamstat Jesu gegenüber Gott, unserem Vater, ein.

Das Kreuz ist das Symbol der Erlösung, denn es ist das Zeichen der Liebe und des Gehorsams des Sohnes zum Vater, der auch nicht davor Halt macht, sein Leben nach dem Willen des Vaters getreu seiner Sendung für die Menschen hinzugeben. Um den Menschen zu retten, hat Christus sich selbst entäußert und Knechtsgestalt angenommen (vgl. Phil 2,7). Diese Entäußerung heißt in dem griechischen Originaltext der Bibel „kenosis“ (vgl Phil 2,7) und bedeutet „Entäußerung“, „leer werden“. Man könnte auch sagen: „sich verausgaben“.

Beim Letzten Abendmahl, die Nacht vor seinem Tod,  hat er als äußeres Zeichen seines Dienstes den Jüngern die Füße gewaschen, ein Dienst, den nur Sklaven verrichteten. Danach sagt er zu seinen Jüngern und auch zu uns: Wenn nun ich, der Herr und Meister, euch die Füße gewaschen habe, dann müsst auch ihr einander die Füße waschen. Ich habe euch ein Beispiel gegeben, damit auch ihr so handelt, wie ich an euch gehandelt habe‚ (Joh 13,3-5.12-15).

Damit weist Christus uns einen Weg, wie auch wir im Leiden versuchen können, den anderen zu dienen und damit nicht nur an uns denken.

Vor Jahren machte ich einen Hausbesuch bei einer Patientin, die infolge eines fortgeschrittenen Diabetes fast erblindet war. Sie hatte sich den Arm gebrochen. Die kleine Enkelin, die bei ihr wohnte, hatte sich aus Sympathie und Solidarität für die Oma ihren rechten Arm verbunden und trug ihn in einer Schlinge. Der Wunsch, mit den Menschen zu leiden, die wir lieben, ist sehr menschlich. Auf der Ebene der Erlösung des Menschen hat Christus auch so gehandelt. Er hat für die Menschen gelitten. Gott will uns durch Christus bewegen, mit allen Leidenden solidarisch zu werden und unser Leid mit Christus zu verbinden, um so selbst Werkzeug der Erlösung zu werden. Eine Mutter, deren kleine Tochter an einem fiebrigen Infekt erkrankt war, bat mich, doch zu bewirken, dass sie statt der Tochter krank sein könnte. Jemand, der liebt, ist bereit, sein Leben zu geben. So hat Christus für uns gehandelt.

Aber Leiden und Tod haben im Leben Jesu nicht das letzte Wort. Durch die blassen Wolken unseres schwachen Glaubens bricht das helle Licht des Ostermorgens  hervor und wir können in unserem Herzen mit der ganzen Kirche singen:

Christ ist erstanden von der Marter alle. Des solln wir alle froh sein. Christ will unser Trost sein.

Und wir können die Worte Jesu  hören, die  er zu Marta, der Schwester des Lazarus sagte, bevor er  ihren Bruder aus dem Grab hervorrief, in dem er schon seit vier Tage lag:. Jesus sprach:  Ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer an mich glaubt, wird leben, auch wenn er stirbt und jeder, der lebt und an mich glaubt, wird auf ewig nicht sterben. Glaubst du das? Marta sagte zu ihm: Ja, Herr, ich glaube, dass du der Christus bist, der Sohn Gottes, der in die Welt kommen soll (Joh 11,25-26)

Ich wünsche allen Blog-Freund/en/innen ein frohes und gesegnetes Osterfest!

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