DER SCHWARZE TOD

Geschrieben am 16.01.2021
von Joachim Heisel


Keine Seuche des Mittelalters hat so viele Opfer gefordert wie die Pest. Bei der großen Pest in Florenz im Jahre 1348 soll die Hälfte der damals etwa 90.000 Einwohner gestorben sein. Giovanni Boccaccio (1313-1375) schildert in seiner berühmten Novelle „Decamerone“ wie zehn Jugendliche aus der Stadt aufs Land fliehen und sich mit der Erzählung von Geschichten vom drohenden Unheil ablenken.

Während der Pestepidemien flohen auch viele Ärzte vor der hoch ansteckenden Krankheit und ließen ihre Patienten im Stich. Selbst Eltern weigerten sich manchmal, ihre erkrankten Kinder zu pflegen. Aber viele Familien. Ärzte und Priester standen den Kranken und Sterbenden bei. Ein solches Beispiel gab der Züricher Arzt und Humanist Konrad Gessner (1516-1565), der als Stadtarzt seinen Kranken bis zuletzt beistand bevor er selber an der Pest starb. Die Kirche verlor bei der großen Pest von 1348 bis 1352 die Hälfte ihrer Priester durch die Seuche.

Man schätzt, dass zwischen 1348 und 1720 etwa 25 Mio. Menschen in Europa an der Pest gestorben sind. Es sollte hundert Jahre dauern bis der Bevölkerungsverlust durch die große Pest von 1348 bis 1352 wieder ausgeglichen werden konnte. Das hatte auch erhebliche wirtschaftliche und gesellschaftliche Folgen.

Viele Menschen sahen die Pest als Strafe Gottes an. Es wurden Prozession abgehalten, wobei Menschen sich zur Buße selbst gegeißelt haben. Das wird eindrucksvoll in dem 1957 gedrehten Film „Das letzte Siegel“ von Ingmar Bergmann (1918-2007) dargestellt. Als Erinnerung an die großen Pestepidemien wurden Pestsäulen wie etwa in Wien errichtet.

Als Heilmittel wurden Aderlässe, Aloe, Ammoniak, Thymian und Kupfer empfohlen. Der berühmte Arzt Paracelsus (1493-1541) )legte sogar getrocknete Kröten auf die Pestwunden. Das alles war keine alternative Medizin sondern Ausdruck purer Hilflosigkeit, was uns nur dankbar machen kann für die Errungenschaften der manchmal so geschmähten modernen Medizin.

Da man damals schon eine Ahnung von der Ansteckungsfähigkeit der Pest hatte, durften Schiffspassagiere aus dem Osten vierzig Tage nicht an Land gehen. Damals entstand er Begriff Quarantäne (von frz. „quarantaine de jours“, vierzig Tage). Es wurden auch ganze Landstriche für Durchreisende gesperrt. Die Häuser verstorbener Pestopfer wurden verbrannt. Im Jahre 1710 wurde die Charité in Berlin als Isolierkrankenhaus für Pestkranke auf Anordnung des preußischen Königs Friedrich I. (1657-1713) erbaut. Ärzte behandelten die Kranken nur in Lederschutzkleidung und Atemmasken, die Kräuter als Krankheitsabwehr enthielten.

Zur Abwehr der Pest wurden auch Gelübde abgelegt wie etwa in Oberammergau im Jahre 1634. Dort gelobte der ganze Ort vor dem Kreuzaltar im rechten Seitenschiff der Pfarrkirche, alle 10 Jahre Passionsspiele aufzuführen, wenn die damals in der Gegend grassierende Pest aufhöre. Verursacht war der Ausbruch in Oberammergau durch einen Mann aus Eschenlohe. Er hatte eine bestehende Quarantäne durchbrochen, indem er heimlich in der Nacht seine Braut in Oberammergau besuchte.

Viele Menschen vermuteten die Ursache der Pest bei den Juden. Es kam zu Pogromen, obwohl Papst Clemens VI. (1290-1352) sich mit einer Bulle gegen die Verfolgung der Juden als vermeintliche Verursacher der Pest gewandt hatte. Zahlreiche Judengemeinden in Europa wurden ausgelöscht. Allein in Strassburg wurden am 14. Februar 1349 auf eigens dafür errichteten Holzgerüsten etwa 2000 Juden verbrannt Sie waren angeklagt, die Brunnen zu vergiften und damit die Seuche ausgelöst zu haben. Es war die größte Judenverfolgung in Europa bis zum Holocaust im 20. Jahrhundert. Da die Juden Geldverleiher waren, hatten viele Bürger ihnen gegenüber Schulden. Mit dem Tod der jüdischen Gläubiger war ihre Schuld erloschen.

Schon im Altertum gab es Pestepidemien. Darüber berichtet schon das Alte Testament. Von 541 bis 770 n. Chr. war die Pest mit verschiedenen Ausbrüchen im byzantinischen Reich endemisch. Danach war sie fast 600 Jahre in Europa verschwunden. Ursprung hatte die Pest des Mittelalters in China und Russland. Sie wurde über Handelswege, vor allem auch durch Schiffe, auf denen Ratten mittransportiert wurden, nach Westeuropa übertragen. Während der Belagerung der Stadt Kaffa auf der Krim im Jahre 1346 wurden von den tatarischen Belagerern Pestleichen sozusagen als biologische Waffe mit Katapulten in die Stadt geschleudert und durch aus der Stadt geflohene genuesische Flüchtlinge nach Italien verschleppt.

Der berühmte Mathematiker und Astronom Johannes Kepler (1571-1630) vermutete, dass eine ungünstige Konstellation von Jupiter und Saturn die Verbreitung der Seuche begünstigte. Ähnliche Vermutungen hatte die Medizinische Fakultät der Universität Sorbonne in Paris bereits im Jahre 1348 geäußert. Eine andere noch aus der Antike stammende Theorie vermutete giftige Dämpfe aus Mooren und Tümpeln als Ursache der Seuche.

In seinem großen Gemälde „Triumph des Todes“ schuf der flämische Maler Pieter Breughel d. Ältere (1520-1569) ein Schreckbild der Pest. Er stellt dar, wie der „Schwarze Tod“ wie die Pest nach den schwarzen Beulen, die sie am Körper hervorrief, genannt wurde, ausnahmslos  Kaiser, Kardinäle, Liebespaare, Männer und Frauen dahin rafft. Seine Botschaft: Die Pest erfasst alle Stände und achtet nicht auf Alter, Rang und Namen. Jeder ist ihr hilflos ausgeliefert.

Erst im Jahr 1894 wurde der wahre Erreger der Pest von dem schweizerisch-französischen Arzt Alexandre Emile Jean Yersin entdeckt. Es ist ein Bakterium, das nach seinem Erforscher Yersinia Pestis benannt wurde. Auch heute noch tritt die Pest in lokalen Epidemien  auf. Sie wird auf den Menschen durch Rattenflöhe übertragen. Nach Ausbruch beim Menschen kann sie auch von Mensch zu Mensch übertragen werden. Bei frühzeitiger Erkennung kann sie durch eine 10-tägige Behandlung mit Antibiotika geheilt werden. Für Risikogebiete wird eine Impfung empfohlen.

Bei allem Schlimmen, das die  Corona-Pandemie mit sich bringt, ist dies nicht zu vergleichen mit dem, was unsere Vorfahren damals durch die Pest zu erleiden hatten. Ihnen standen keine kundigen Ärzte, Krankenhäuser, Medikamente oder Impfungen zur Verfügung und ihre soziale Lage war nach heutigen Maßstäben katastrophal…

Quellen: Wikipedia; Infectio, Editiones Roche

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