UNSER GARTEN - UNSER BEET

Geschrieben am 20.02.2021
von Joachim Heisel


Heute ist Frühlingsanfang. Jetzt kann schon die Zeit der ersten Frühlingsblumen sein oder auch die Zeit, Zwiebeln für Sommerblumen ins Beet zu senken.

Ein Freund, der eine große Krise in seiner Ehe hinter sich hatte, sagte mir: Nach Jahren bin ich darauf gekommen, wie wichtig es ist, sich selber zu lieben. Viele Jahre wurde mir gesagt: „Liebe deinen Nächsten“, aber der zweite Teil des Gebots: „Wie dich selbst“ (vgl Mk 12,28-34) wurde mir zu wenig vermittelt. Die Ursache für seine Beziehungskrise sah er darin, dass er sich keinen Freiraum für sich selbst schaffen konnte oder wie er sich ausdrückte für einen eigenen Garten, in dem er Blumen pflanzen konnte, die ihm gefallen.

Auch in der innigen Zweierbeziehung einer Ehe oder Partnerschaft muss jeder schauen, dass sein Selbst nicht verkümmert. Dazu ist wichtig, dass jeder und jede einen Bereich hat, der wie ein Garten ist, zu dem nur er einen Zutritt hat oder diejenigen, die er hinein lässt. Das kann auch ein Raum sein, ein Hobby oder ein Kreis von Menschen, wo er oder sie Abstand zum Alltag gewinnen kann.

Es kann auch ein realer Garten sein oder ein Blumenbeet auf dem Balkon. Pflanzen sind etwas Lebendiges. Sie  bringen uns mit ihrem Wachsen, Werden und Vergehen aus der linearen Zeit, die von Stechuhren und Terminen bestimmt ist, zurück in die organische Zeit der Natur, die die ursprüngliche Zeit und auch die Zeit Gottes ist. Im Buch Genesis, dem ersten Buch der Bibel, heißt es, dass Gott nach der Erschaffung des Menschen für ihn einen Garten anlegte. So kann uns ein Garten  zu den Ursprüngen zurückbringen.

Ganz gleich, in welchen Alter wir gerade sind, der Jahresrhythmus ist immer der gleiche und lässt uns von Neuem Aufbruch und Vergehen erleben und damit am Gleichnis des eigenen Lebens teilhaben und besser akzeptieren, dass wir Teil der Natur sind, wo Werden und Vergehen Gesetz ist, dem auch wir unterworfen sind.

Wir haben uns daran gewöhnt, unsere Zeit nach den starren Mustern unserer technisierten Welt auszurichten. Dabei haben wir den Kontakt zur Zeit in der Natur verloren. Eine befreundete Familie, die eine Zeitlang in einem Dorf bei den Papuas in Neuguinea gelebt hat, berichtete, dass bei diesem Naturvolk Geburts- und Sterbedaten nach Ereignissen in der Natur memoriert wurden.

In unserem Garten können auch Pflanzen wachsen, die wir zusammen mit anderen pflanzen und pflegen. Aber nur wenn wir unseren eigenen Garten schön finden, werden wir ohne Bitterkeit anerkennen, dass auch woanders schöne Pflanzen und Blumen wachsen, die vielleicht sogar unsere an Schönheit übertreffen.

Aber wer wollte schon darüber urteilen, ob eine Rose schöner ist als ein Gänseblümchen. Es kommt alles auf die individuelle Sicht des Betrachters an. De gustibus non est disputandum lautet ein alter lateinischer Spruch - über Geschmack kann man nicht streiten. So kann man manchmal nicht verstehen, wie diese schöne Frau einen so hässlichen Mann geheiratet hat oder umgekehrt. Warum haben sie es getan? Weil sie ihn oder sie anziehend fanden, warum auch immer…

Wenn ich an einen Garten denke, fällt mir der Garten im Haus meiner Eltern ein, den vor allem meine Mutter liebevoll hegte und pflegte. Wenn sie im Sommer damit fertig war, legte mein  Vater die Pastorale von Beethoven auf und es wurde Tee getrunken..

In der Nähe unserer Schule hatte kurz nach dem Krieg ein alter Mann zwischen den Trümmern seines zerstörten Hauses einen Garten angelegt und saß an warmen Sommertagen dort auf einer Bank. Heute denke ich, dass dieser Mann Bewunderung verdiente, dass er seinem zerstörten Haus einen Garten abgerungen hat.

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