Ein Kind in der Kita sagt zu einem anderen: Ich bin geimpft aber nicht getauft.
In Ostdeutschland werden nur noch fünf Prozent der Kinder getauft. Nur zwanzig Prozent der Bevölkerung gehören noch einem christlichen Bekenntnis an. Seit 900 Jahren wird das Christentum in diesem Land verkündet. Auf dem Portal der von Karl Friedrich Schinkel (1781-1841) erbauten Werderschen Kirche in Berlin halten Engel Schilder mit Bibelzitaten in Händen. Auf einem steht: „Lass sich ein jeglicher taufen auf den Namen Jesu Christi zur Vergebung der Sünden.“ In goldenen Buchstaben steht auf einem umlaufenden blauen Spruchband unterhalb der mit einem Kreuz bekrönten Kuppel des wiedererrichteten Berliner Schlosses: „Es ist keinem andern Heil, ist auch kein anderer Name den Menschen gegeben, denn in dem Namen Jesu, zur Ehre Gottes des Vaters: Dass in dem Namen Jesu sich beugen sollen aller derer Knie, die im Himmel und auf Erden und unter der Erde sind.“ Das hatte der fromme König Friedrich Wilhelm IV (1795-1861) so verfügt.
Zwei Weltkriege und zwei Diktaturen sind über das Land jenseits der Elbe hinweg gegangen, zuletzt vierzig Jahre militanter Atheismus. Viele Kirchen wurden im Krieg zerstört oder von der atheistischen Staatsmacht gesprengt. Vom Christentum ist zumindest äußerlich nur ein Rest geblieben. Doch steht das Kreuz über Berlin . Wenn die Sonne am Abend auf die Kuppel des Fernsehturms scheint, leuchtet manchmal ein hell strahlendes Kreuz als Reflex über der Stadt, zu DDR-Zeiten sehr zum Ärger seiner kommunistischen Auftraggeber.
Hans Maier, der frühere langjährige Kultusminister von Bayern, schreibt in der Einleitung zu seinem lesenswerten Buch „Welt ohne Christentum – was wäre anders? (Herderverlag 2012):
Christentum - das ist ein unberechenbarer Impuls. Was daraus wird im Laufe der Zeiten, hängt von der Entscheidung vieler Menschen ab. Kein göttlicher Regisseur entmündigt die Freiheit der menschlichen Spieler. Und der Ausgang des Spiels bleibt offen, solange die Geschichte dauert.
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