Während zwei Jahren betreute ich zusammen mit einem anderen guten Freund, der aus Barmherzigkeit die Pflegschaft übernommen hatte, einen gemeinsamen Freund, der keine Angehörigen hatte, in einem Münchener Altenheim. Er war im Endstadium von Demenz und hatte eine schwere Depression. Ich begleitete ihn oft zur Sonntagsmesse in der schönen von dem bekannten Münchner Architekten Gabriel von Seidl (1848-1913) in den Jahren 1901-1903 gestalteten Hauskapelle. Es predigte fast jedes Mal ein alter Kapuzinerpater für die Heimbewohner. Fast alle Anwesenden waren an der Endstation ihres Lebens angekommen. Er sprach für die alten Leute jeden Sonntag die gleiche Predigt mit gewissen Varianten. Sie lautete ungefähr so: Wer ist Jesus? Unser Bruder, dein Bruder, mein Bruder, der uns jeden Tag an die Hand nehmen will, bis er uns schließlich in den Himmel führen wird. Warum ist er unser Bruder geworden? Damit wir Gott kennen können.
Eigentlich ist es die Kurzfassung des Christentums und am Ende eines langen Lebens ausreichend als Botschaft, wenn man denn daran glauben kann. Auf dem Flur und im Garten des Heims begegnete mir bei meinen Besuchen eine Frau, die mir jedes Mal sagte: "Das Leben hier ist sinnlos. Eigentlich würde ich mich gern umbringen, aber wegen meinem Sohn tue ich es nicht." Es gab auch eine Frau, die sich zu den Sterbenden, auch zu meinem Freund, ans Bett setzte und ihnen vorlas und mit ihnen betete.
Das ist die Botschaft von Weihnachten: Dein Leben ist nicht umsonst und nicht sinnlos. Es gibt jemand, der den Weg mit Dir gehen will – selbst über den Tod hinaus. Und dieser Jesus, der diesen Weg mit Dir gehen will, ist heute geboren. Wenn Du doch daran glauben könntest…
Ein Weihnachtsgedicht von Rainer Maria Rilke (1875-1926):
Hättest du der Einfalt nicht,
wie sollte dir geschehn,
was jetzt die Nacht erhellt?
Sieh, der Gott, der über Völker grollte, macht sich mild
und kommt in dir zur Welt.
Hast du dir ihn gößer vorgestellt?
Und ein Weihnachtslied von Friedrich Spee von Langenfeld (1591-1635):
Zu Bethlehem geboren
Ist uns ein Kindelein
Das hab ich auserkoren
Sein eigen will ich sein
In seine Lieb versenken will ich
Mich ganz hinab
Mein Herz will ich ihm schenken
Und alles, was ich hab.
O Kindelein von Herzen,
dich will ich lieben sehr,
in Freuden und in Schmerzen,
je länger mehr und mehr.
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