SCHREBERGÄRTEN

Geschrieben am 31.12.2021
von Joachim Heisel


Das Jahresende ist da und wir könnten nochmals  die guten Momente dieses Jahres in unserer  Erinnerung aufzusuchen Oft sind es gerade unspektakuläre, Augenblicke, die uns haften geblieben sind.  Manchmal erinnern sie uns an andere wichtige  Momente in unserem Leben.  Bei mir war es unter anderen ein  frischer Herbstmorgen, an dem ich zu meinem IT- Berater, der meine Website betreut, gefahren bin. Da der Weg zu ihm durch die halbe Stadt führt, bin ich beizeiten losgefahren und habe kurz vor der Ankunft festgestellt, dass ich zwanzig Minuten zu früh dran war. Rechts war noch ein Parkplatz frei. So hielt ich an und sah, dass hier mitten in der Stadt eine große Schrebergartenanlage ist. Ich stieg aus und ging in der milden  Morgensonne des Oktobers den Weg durch die Gärten. Ich war um diese Zeit  dort allein. Schrebergärten in der Stadt haben etwas von Oasen an sich. Sie sind gefüllt mit Träumen von Menschen, die mitten in der Stadt dem Alltag entfliehen möchten: Gartenzwerge, Blumenbeete, weißblaue Fahnen; hier bin ich Mensch, hier darf ich's sein  (Goethe Faust, Osterspaziergang). Ich erinnerte mich dann  daran, dass zu den Spaziergängen, die ich mit meiner alten Mutter noch machen konnte, ein Gang durch die Schrebergärten in der Nähe ihrer Wohnung gehörte.

Auch  Erinnerungen an Begegnungen mit Menschen, denen ich helfen konnte oder die mir geholfen haben, sind mir noch präsent, so ein Telefonat mit einem mir bis dahin unbekannten Nachbarn, der mir sagte, seine Großmutter habe mein i-Phone neben einer Parkbank gefunden und es vor dem beginnenden Regen gerettet. Man kann sich vorstellen wie erleichtert und dankbar ich war ob solch einer günstigen Wendung.

Da war auch ein schöner Tag im Sommer. Ich war in Birkenstein, einem kleinen Wallfahrtsort bei Fischbachau, mit einer Lorettokapelle aus dem 17. Jahrhundert mit einer Unzahl von Rokoko-Engeln auf dem Altar und mit Wänden voller Votivtafeln. Im Anschluss an meine Wallfahrt ging ich den Berg hinauf zum oberhalb liegenden Breitenstein. Auf dem Weg begegnete mir ein etwa 60-jähriger Mann, der mit Hilfe eines Rollators den Berg hochging. Er war zwar sehr angestrengt, aber er machte einen frohen Eindruck. Ich sprach ihn an und drückte ihm  meine Bewunderung  aus. Er erzählte mir, dass er Diplomingenieur sei und  in der Jugend an Poliomyelitis erkrankt und infolgedessen teilweise gelähmt war. Für mich blieb dieser Mann als Vorbild haften für einen Menschen, der sein Schicksal bewundernswert selbst in die Hand genommen hat. Das ist nur ein sehr persönlicher Ausschnitt aus der Fülle meiner persönlichen  Begegnungen in diesem Jahr, den jeder sicher für sich ergänzen könnte.

Es gab  schwierige und leidvolle Ereignisse in diesem Jahr. Es gab die Pandemie und ihre Folgen, es gab  vielleicht schwere Erkrankungen und Todesfälle in unserem Familien- und Freundeskreis, und vielleicht waren wir sogar selbst betroffen. Es gilt, dem einen Platz der Trauer in unserer Erinnerung zu geben und der betroffenen Personen im Gebet zu gedenken.

Aber es gilt auch, dankbar zu sein für alles Positive in diesem Jahr und vielleicht auch für die vielen Momente, die uns geschenkt wurden, in denen wir ein stückweit glücklich sein durften. Jeder kann sie für sich noch einmal aufsuchen.

Ich wünsche allen Blogfreundinnen und Blogfreunden ein gutes Neue Jahr!

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