DECKE AUF DEN KOPF

Geschrieben am 25.11.2020
von Joachim Heisel


In diesen Corona-Zeiten kann einem schon mal die Decke auf den Kopf fallen. Das liegt dann nicht an etwaigen Baumängeln wie beim BER sondern eher an der psychischen Verfassung der Bewohner. Es kann jetzt auch schon mal passieren, dass man öfter aus eigentlich nichtigem Anlass an die Decke geht, ohne sie gleich zu durchstoßen. Da kann vielleicht  helfen, sich eine andere Decke zu nehmen und sich aufs Sofa zu kuscheln

Oder es  wird Zeit, mal Luft abzulassen und an die frische Luft zu gehen, einfach Leute auf der Strasse sehen, spielende Kinder, die hinter einem Ball herlaufen oder rumlaufende Hunde. Das sind dann wahre Stimmungsaufheller. Auch der Anblick von Bäumen, denen Corona offensichtlich nichts ausmacht, kann helfen. Und wenn keiner zuschaut kann man sie auch einmal umarmen. Sicher werden auch sie jetzt eher unansehnlich, wenn sie ihre Blätter verlieren. Aber da bleiben uns ja immer noch die Tannen und die Fichten, denn:  Oh Tannenbaum. Oh Tannenbaum wie schön sind deine Blätter… Es war wohl kein Botaniker, der dieses Lied geschrieben hat, aber: Du grünst nicht nur zur Sommerzeit, nein auch im Winter wenn es schneit. Das kann uns den nächsten Lichtblick bescheren: Das Christkind steht schon fast vor der Tür…und wir können unseren Wunschzettel schon mal schreiben!

Rainer Maria Rilke hat uns aus einer eher melancholischen Stimmung eines seiner berühmtesten und schönsten Gedichte hinterlassen. Er hatte seine Frau, die Bildhauerin Clara Westhoff in Berlin zurückgelassen und war nach Paris gezogen. Das war im Herbst des Jahres 1902. Rilke war damals 26 Jahre alt:

Wenn sich auch beim Gang durch die Weinberge keine Trauben mehr finden, denn sie sind längst abgeerntet und der Sommer ist definitiv vorbei, so kann uns doch die letzte Strophe seines Gedichts helfen, in diesem November –Lockdown irgendwie über die Runden zu kommen:.

Und so lautet sein Gedicht:.

Herbsttag

Herr: es ist Zeit. Der Sommer war sehr groß.
Leg deinen Schatten auf die Sonnenuhren,
und auf den Fluren laß die Winde los.

Befiehl den letzten Früchten voll zu sein;
gieb ihnen noch zwei südlichere Tage,
dränge sie zur Vollendung hin und jage
die letzte Süße in den schweren Wein.

Wer jetzt kein Haus hat, baut sich keines mehr.
Wer jetzt allein ist, wird es lange bleiben,
wird wachen, lesen, lange Briefe schreiben
und wird in den Alleen hin und her
unruhig wandern, wenn die Blätter treiben.

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