WAGNIS

Wir können uns der letzten Geheimnisse nicht anders versichern als durch einen kühnen Sprung in die Tiefe. Dieser Sprung ist ein ungeheures Wagnis, er bedeutet eine ganz persönliche Entscheidung, aber wir dürfen sie trotz aller Gefährlichkeit und scheinbarer Ungewissheit getrost vollziehen, denn es ist kein blinder Zufall, dass wir unter diesen oder jenen Vorstellungen über die letzten Geheimnisse stehen, sondern diese Vorstellungen sind vom göttlichen Leben selbst in uns gewirkt.

J Joachim Heisel

HÖRER WERDEN

Als mein Gebet immer andächtiger und innerlicher wurde, da hatte ich immer weniger und weniger zu sagen. Zuletzt wurde ich ganz still. Ich wurde, was womöglich noch ein größerer Gegensatz zum Reden ist, ich wurde ein Hörer. Ich meinte erst, Beten sei Reden. Ich lernte aber, dass Beten nicht bloß Schweigen ist, sondern Hören. So ist es: Beten heißt nicht, sich selbst reden hören. Beten heißt still werden und still sein und warten, bis der betende Mensch, Gott hört.

J Joachim Heisel

ARM UND BEDÜRFTIG

All dies erfordert ein demütiges Herz, das den Mut hat, zum Bettler zu werden. Ein Herz, das bereit ist, sich als arm und bedürftig zu erkennen. Es besteht nämlich ein Zusammenhang zwischen Armut, Demut und Vertrauen. Der wahrhaft Arme ist der Demütige, wie der hl. Bischof Augustinus sagte: „Der Arme hat nichts, worauf er stolz sein kann, der Reiche hat seinen Stolz zu bekämpfen. Höre also auf mich: Sei ein wahrhaft Armer, sei tugendhaft, sei demütig“ (Sermones, 14, 4). Der demütige Mensch hat nichts, dessen er sich rühmen kann, und er beansprucht nichts, er weiß, dass er nicht auf sich selbst zählen kann, glaubt aber fest daran, dass er sich auf die barmherzige Liebe Gottes berufen kann, vor dem er wie der verlorene Sohn steht, der reumütig nach Hause zurückkehrt, um die Umarmung seines Vaters zu empfangen (vgl. Lk 15,11–24). Da der Arme nichts hat, worauf er sich stützen kann, erhält er Kraft von Gott und setzt sein ganzes Vertrauen in ihn. In der Tat schafft die…

J Joachim Heisel

WO IST DEIN HERZ

In der Antike gab es Mythen von Göttern, die zu den Menschen herabkamen und in ihr Leben eingriffen. Aber ein Gott, der in Leid und Tod der Menschen eintaucht, war den Menschen von damals unvorstellbar und auch heute sind wir versucht, das als Mythos aus vergangener Zeit abzutun. Ein Gott, der arm auf die Welt kam und bei einer Hinrichtung starb, war und ist ein Ärgernis. Paulus sagt es im ersten Korintherbrief: „Wir dagegen verkündigen Christus als den Gekreuzigten: für die Juden ein empörendes Ärgernis, für Heiden eine Torheit“ (1 Kor 23). Und doch hat diese Botschaft die Welt bis auf den heutigen Tag revolutioniert.

J Joachim Heisel

GROLL

"Solange wir verbittert bleiben und Groll hegen wegen Dingen, denen wir wünschten, sie wären nicht passiert, wegen Beziehungen, von denen wir wünschten, sie wären anders ausgegangen, wegen Fehlern, von denen wir wünschten, wir hätten sie nicht gemacht, so lange liegt ein Teil unseres Inneren brach, unfähig Frucht zu bringen in dem neuen Leben, das vor uns liegt.“

J Joachim Heisel

KERZEN

Als ich nach Haus komme aus der derzeitigen Kälte und Dunkelheit empfängt mich eine Kerze, die jemand im Fenster aufgestellt hat. Kerzen wärmen das Gemüt und ihrer Nähe fühlen wir uns wohl. Kerzen sind mit ihrer Flamme etwas Lebendiges, sind Bild des Lebens; indem sie sich leuchten, verzehren sie sich. Während Lampen vor allem dazu da sind, Licht zu geben, schaffen Kerzen einen Raum um sich, soweit ihr flackernder Schein reicht.

J Joachim Heisel

SEI FREUNDLICH

Die Kraft der Gedanken ist unsichtbar wie der Same, aus dem ein riesiger Baum erwächst; sie ist aber der Ursprung für die sichtbaren Veränderungen im Leben des Menschen .

J Joachim Heisel

DIE HOFFNUNG ENTTÄUSCHT NICHT

Der heilige Paulus ist sehr realistisch. Er weiß, dass das Leben aus Freud und Leid besteht, dass die Liebe auf die Probe gestellt wird, wenn die Schwierigkeiten zunehmen, und dass die Hoffnung angesichts des Leidens zu zerbrechen scheint. Dennoch schreibt er: „Wir rühmen uns ebenso der Bedrängnisse; denn wir wissen: Bedrängnis bewirkt Geduld, Geduld aber Bewährung, Bewährung Hoffnung“ (Röm 5,3–4). Für den Apostel sind Bedrängnis und Leid die typischen Bedingungen für diejenigen, die das Evangelium in einem Klima des Unverständnisses und der Verfolgung verkünden (vgl. 2 Kor 6,3–10). Aber in solchen Situationen erblickt man durch die Dunkelheit hindurch ein Licht. Man entdeckt, wie die Verkündigung von der Kraft getragen wird, die aus dem Kreuz und der Auferstehung Christi strömt. Und dies führt zur Entwicklung einer Tugend, die eng mit der Hoffnung verbunden ist:

J Joachim Heisel

ST. GEORG

Am Nachmittag des Heiligen Abends gehe ich an der Isar entlang, bei grauem Himmel und mit kaum Leuten auf der Straße zu unserer Kirche Sankt Georg in Bogenhausen. Sie liegt oberhalb der Isar und war über Jahrhunderte die einzige Kirche weit und breit bis ins 20. Jahrhundert hinein. Ihre Grundmauern und der Turm gehen bis ins 8. Jahrhundert zurück. Über den Friedhof mit den vielen Gräbern bekannter Leute wie Erich Kästner, Oskar Maria Graf, Tankred Dorst und Liesl Karlstadt gehen ganze Familien zu den Gräbern ihrer Verstorbenen und schmücken sie mit Christbaumkugeln, Lichtern und Tannenzweigen.

J Joachim Heisel

EINFALT

Hättest du der Einfalt nicht,

J Joachim Heisel

SONNENHAFT

Ich vergesse nie eine schon siebzigjährige Patientin, die mir traurig erzählte, sie habe noch nie in ihrem Leben einen wirklich guten Menschen getroffen. Tatsächlich ist es ein großer Schmerz, immer wieder mit der eigenen Beschränktheit und der der Anderen konfrontiert zu sein, wo doch der Blick des Menschen als einzigem aller Wesen dieser Erde über den Horizont dieser Welt hinaus reicht. Aber wir alle müssen uns selbst und unseren Mitmenschen verdeutlichen, dass wir nicht Gott sind, „denn nur Gott allein ist gut“ (Lk 18, 18). So können wir uns frei machen von übersteigerten Ansprüchen und Erwartungen an uns selbst und an Andere.

J Joachim Heisel

KALTER GLANZ

Max Horkheimer (1895-1973) , Mitbegründer der sogenannten Frankfurter Schule und ursprünglich Marxist, hat in seinen späten Jahren einmal gesagt: Wenn es keinen Vatergott gibt, warum soll ich dann gut sein.

J Joachim Heisel

PFÜTZEN IM ALLTAG

Auch wenn uns der Alltag manchmal trübe und grau wie eine Pfütze vorkommt, in der unser Leben stehen geblieben ist, so können sich darin dennoch der Himmel und die Sonne der Gegenwart Gottes widerspiegeln. Wir müssen nur den Heiligen Geist wirken lassen. „Der Geist weht, wo er will“ (Joh 3,8).

J Joachim Heisel

SCHUTZRAUM

Leider wird jetzt von Schutzräumen gesprochen, die wir brauchen, wenn es Krieg geben sollte. Wir brauchen sie, da wir nicht wissen, was die Zukunft bringen mag. Das kann uns mit Recht Angst machen. Aber wir brauchen nicht nur Bunker, die uns schützen, sondern auch geistige Schutzräume.

J Joachim Heisel

NOTRE DAME

Was ist passiert? Am 15. Aril 2019 stand die Kathedrale Notre Dame de Paris in Flammen und blieb als Ruine zurück. Es ist nicht irgendeine Kathedrale. Sie ist das Herzstück eines Landes seit 800 Jahren. In ihr wurden Könige und Kaiser gekrönt. Von ihr aus werden die Entfernungen im Land berechnet.Sie wird jährlich von 17 Millionen Menschen besucht.Sie ist das Herzstück von Frankreich, der „ältesten Tochter der Kirche“. So nennen die Gläubigen ihr Land. Aber nicht nur Christen sind erschüttert. Ein ganzes Land trauert, auch Atheisten und Agnostiker, denn Notre Dame steht auch für einen Teil ihrer Identität. Das Christentum hat auch in ihnen Spuren hinterlassen in dem, wie sie denken und fühlen, in ihrem Mit-Bewussten und Unbewussten, in ihrer Art zu leben.Die Trauer kommt nicht bloß aus der Erkenntnis ein hohes Kulturgut verloren zu haben. Die Trauer kommt aus einem tieferen Seelengrund als man bisher vermuten konnte.

J Joachim Heisel

NIKOLAUSABEND

Heute ist Nikolausabend. Nikolaus von Myra ist einer der bekanntesten Heiligen der Ost- und der Westkirche. Er wirkte in der ersten Hälfte des 4. Jahrhunderts und war Bischof von Myra in Kleinasien, der heutigen Türkei. Nach seiner Priesterweihe verteilte er sein Vermögen unter die Notleidenden der Stadt. In der Christenverfolgung unter dem römischen Kaiser Diokletian im Jahre 310 wurde er gefangen genommen und gefoltert. Zahlreiche Legenden ranken sich um sein Leben. Als er erfuhr, dass ein verarmter Mann aus seiner Notlage heraus, seine drei Töchter, die er ohne entsprechende Mitgift nicht verheiraten konnte, zu Prostituierten machen wollte, warf Nikolaus drei Goldklumpen nachts durchs Fenster in die Schlafkammern der Mädchen. Deshalb gilt Nikolaus als Schutzpatron aller Mädchen und Frauen, die von Prostitution bedroht sind. Bei einem Seesturm sei er plötzlich am Steuer des bedrohten Schiffes erschienen und habe es in ruhigere Gewässer gelenkt. So gilt er auch als…

J Joachim Heisel

HUNDERTTAUSENDE

Dieser Tage habe ich einen Bericht über eine Klinik gelesen, die Kriegsversehrte aus der Ukraine behandelt. Darin stand, dass nach einer gravierenden Verletzung mit einer Blutung nur 45 Minuten lang die Chance besteht, dass der Betreffende nicht am Blutverlust stirbt. Die häufigen Splitterverletzungen sind oft superinfiziert mit verschiedenen Bakterien, sodass eine breite antibiotische Therapie erfolgen muss. Oft sind es auch Brandverletzungen, die die Menschen erlitten haben, die den ganzen Aufwand der modernen Intensivmedizin erfordern. Meist sind es natürlich junge Menschen, die davon betroffen sind. Die Bilder haben mich schockiert, vor allem, wenn man bedenkt, dass nunmehr schon mehrere hunderttausend Menschen, seien es Ukrainer oder Russen davon betroffen sind. Hinter jedem Opfer stehen neben dem persönlichen Lebensschicksal Familien, Mütter, Väter, Kinder, Geschwister, die mitleiden.

J Joachim Heisel

ADVENT

Am Sonntag ist der erste Advent mit Lichtergirlanden in den Straßen, glitzernden Schaufenstern und auf dem Marienplatz in München wie alle Jahre wieder der Christbaum und darunter die Buden des Weihnachtsmarkts mit Glühwein und allerlei Zutaten für Leib und Magen, frommem Tand und nützlichen Sachen wie winterlichen Socken und Handschuhe aus Lammfell mit dazu passenden Mützen. Trotz Wirtschaftswachstumsschwäche und Raketen am Himmel der Ukraine ist gute Stimmung, auch mit einer gewissen Erwartung, obwohl vielen Menschen der eigentliche Grund des ganzen Trubels ncht mehr ganz klar ist und die Erwartung sich oft auf den Gabentisch und das gute Essen an Heiligabend beschränkt.

J Joachim Heisel

LETZTE WORTE

Winston Churchills (1874-1965) letzte Worte im Alter von 90 Jahren sollen gewesen sein: "Es ist alles so langweilig", und das obwohl doch sein Leben alles andere als langweilig war. Zwei Weltkriege hatte er erlebt und in einer verzweifelten Lage sein Land vor Hitler gerettet.

J Joachim Heisel