NAHTSTELLE

Geschrieben am 25.04.2020
von Joachim Heisel


Für einen Arzt ist es immer wieder eine schwierige und menschlich belastende Situation, wenn er Patienten behandeln soll, für die es keine Heilung mehr gibt. Als ich auf einer hämatologisch-onkologischen Station gearbeitet habe, hatte ich solche Patienten. Ihre größte Hoffnung war der nächste Therapie-Stoß oder das Wochenende zuhause bei ihrer Familie. Wie sehr wünschte man sich in solchen Augenblicken, diesen Patienten helfen zu können. Das sind Momente, wo der Arzt trotz aller Fortschritte in der Medizin seine Ohnmacht zu spüren bekommt. Hier fängt der Bereich an, wo die Hoffnungen dieser Welt verblassen.

In der Kapelle des Klinikums Rechts der Isar in München, in dem so viele Menschen mit schweren Erkrankungen behandelt werden, ist über dem Altar ein Bild von Christus als König am Kreuz und darunter ein Zitat aus dem Johannes-Evangelium angebracht: „Seid getrost, ich habe die Welt überwunden (Joh 16, 33)“. Man könnte auch sagen: Ich habe die Unsicherheit dieser Welt, die letztlich in der Unverfügbarkeit des Menschen über Tod und Leid besteht, überwunden. Christus stellt sich als jemand vor, auf den wir vertrauen sollen und der die Macht hat, sozusagen als Arzt und Heiland (ahd. Heiland von heil – ganz sein), der auch noch Heil bringen kann, wo in dieser Welt keine Hoffnung auf Heilung mehr besteht. Hier ist die Nahtstelle von Hoffnung und Glauben. Nur wer über das Unverfügbare von Leiden, Tod und Schuld verfügen kann, kann auch noch Hoffnung geben, wenn der Mensch in den Bereich des Unverfügbaren eintritt, „wo niemand mehr wirken kann (Joh 9,4)“. 

Auch wir erleben eine Situation, die weitgehend unserer Verfügung und Steuerung entglitten ist. In diese Situation der Gefährdung und Unsicherheit hat Papst Franziskus in seiner Predigt während der Osternacht hineingesprochen:

Das Grab ist der Ort, aus dem nicht mehr herauskommt, wer hineingeht. Aber Jesus ist für uns herausgekommen, er ist für uns auferstanden, um Leben zu bringen, wo Tod war, um eine neue Geschichte einzuleiten, wo ein Stein daraufgelegt worden war. Er, der den Felsen am Eingang des Grabes umgestürzt hat, kann die Felsblöcke, die das Herz versiegeln, entfernen. Geben wir daher nicht der Resignation nach, legen wir nicht einen Stein über die Hoffnung. Wir können und müssen hoffen, denn Gott ist treu. Er hat uns nicht alleingelassen, er hat uns aufgesucht: Er ist in jede unserer Situationen gekommen, in den Schmerz, in die Angst, in den Tod. Sein Licht hat das Dunkel des Grabes erhellt, heute will es die dunkelsten Winkel des Lebens erreichen. Schwester, Bruder, auch wenn du im Herzen die Hoffnung begraben hast, gib nicht auf – Gott ist größer. Die Dunkelheit und der Tod haben nicht das letzte Wort. Nur Mut, mit Gott ist nichts verloren!

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