MIT GEBROCHENEM HERZEN

Geschrieben am 20.05.2020
von Joachim Heisel



Zum 75.Jahrestag des Kriegsendes hat unser Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier eine bewegende Rede gehalten. Er sprach davon, dass wir Deutschen unser Land nur mit „gebrochenem Herzen“ lieben könnten. Das ist angesichts der deutschen Vergangenheit in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts eine Haltung, die sicher dem Empfinden vieler Menschen in unserem Land entspricht. Obwohl die weitaus größte Mehrheit der Menschen, die jetzt in diesem Land leben, diese Zeit nicht mehr bewusst erlebt haben und deshalb auch keine direkte Verantwortung für das tragen, was damals geschehen ist, muss uns doch die Erinnerung daran mit Trauer und Scham erfüllen. Der erste Bundespräsident Theodor Heuss (1884-1963) sagte 1952 im Konzentrationslager Bergen-Belsen, wo während des Nazi-Regimes viele tausend Menschen ermordet wurden: „Und dies ist unsere Scham, dass sich solches im Raume der Volksgeschichte vollzog, aus der Lessing und Kant, Goethe und Schiller in das Weltbewußtsein traten. Diese Scham nimmt uns niemand, niemand ab“. 

Heute ist Deutschland weltweit ein geachtetes und bewundertes Land. Das beruht nicht zuletzt darauf, dass sich unser Volk zu der Schuld für die Taten,  die in seinem Namen begangen wurden, bekannt hat. Dieses Bekenntnis war die Voraussetzung für Versöhnung. Es kann auch Vorbild sein für andere Völker, die Schuldenlasten mit sich herumtragen. Denken wir nur an die Genozide der Vergangenheit, Sklaverei, koloniale Unterdrückung und Kriege, Kriegsverbrechen, Ausrottung indigener Bevölkerungen und Pogrome. Das liegt teilweise länger zurück. Einiges hat sich aber auch in jüngerer Zeit ereignet. Es würde eine Reinigung des Weltgewissens bedeuten, wenn Schuldbekenntnisse zu diesen Taten erfolgen würden. Es wäre Grundvoraussetzung für Versöhnung.

In seiner Rede sagte der jetzige Bundespräsident: „Es gibt kein Ende des Erinnerns. Es gibt keine Erlösung von unserer Geschichte. Denn ohne Erinnerung verlieren wir unsere Zukunft. Nur weil wir Deutschen unserer Geschichte ins Auge sehen, weil wir die historische Verantwortung annehmen, haben die Völker der Welt unserem Land neues Vertrauen geschenkt".

Die Geschichte kann uns nicht aus der Erinnerung entlassen. Allerdings darf diese Erinnerung nicht zu einem Schuldkomplex führen, den die Nachgeborenen wie eine Kette  mit sich herumschleppen müssten. Erinnerung heißt nicht persönliche Schuld, wohl aber Verantwortung und Verpflichtung auch für die Zukunft. Wir Deutsche selbst und auch alle anderen müssen das genügend auseinanderhalten. Sonst würden wir der kommenden Generation eine Last aufbürden, die sie dann irgendwann zusammen mit der Erinnerung von sich werfen möchten.

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