TAPFERKEIT UND STÄRKE

Geschrieben am 28.10.2020
von Joachim Heisel


Auf dem Marktplatz von Trier steht der Petrusbrunnen, der mit dem Standbild des hl.Petrus, des Stadtpatrons gekrönt ist. Der Trierer Stadtrat ließ ihn im Jahre 1595 von dem Trierer Bildhauer Hans Ruprecht Hoffmann im Renaissance-Stil errichten. Er schuf auch die Kanzel im Dom mit den Fresken über die Werke der Barmherzigkeit.

Man sieht über dem Brunnenbecken vier Frauenfiguren, die als gleichnishafte Darstellungen die vier sogenannten Kardinaltugenden Klugheit, Tapferkeit, Gerechtigkeit und Maß verkörpern. Der Name „Kardinaltugenden“ kommt aus dem Lateinischen von cardo (Angelpunkt, Türangel) und gibt damit der Bedeutung dieser sittlichen Grundhaltungen für das Gelingen menschlichen Lebens Ausdruck, indem die Beachtung oder Nicht-Beachtung dieser Tugenden den Kurs des Lebensschiffs des einzelnen und das der Gesellschaft entscheidend beeinflussen. Das war auch der „pädagogische“ Hintergrund der damaligen Stadtväter, den Bürgern ihrer Stadt, diese Tugenden nahezulegen. So lautet die Übersetzung der lateinischen Inschrift auf dem Brunnen: Glücklich ein Gemeinwesen, wo Klugheit das Zepter hält, wo die heilige Gerechtigkeit die Guten schützt und die Schuldigen mit dem Schwerte richtet, wo Starkmut im Unglück herrscht und Mäßigung alles zum besten lenkt..

Die Tugend der Stärke ist mit zerbrochener Säule dargestellt. Man spricht von Charakterstärke, wenn jemand sich nicht verbiegen lässt. Stark ist auch der Mensch, der tapfer einen Schicksalsschlag erträgt und auch dann noch seine Pflicht erfüllt, wenn es schwierig wird oder Nachteile einträgt. Wer Gerechtigkeit gegen äußere und innere Widerstände durchsetzt, zeigt Stärke und Tapferkeit. Wer stark ist, bleibt dem treu, was er als richtig und gut erkannt hat. Auch wenn er deshalb angefeindet oder verfolgt wird, geht er nicht davon ab. Stärke setzt eine Festigkeit voraus, die von tiefen Überzeugungen herrührt. Sie lebt davon, dass es ein Maß, eine Ordnung gibt. In einer permissiven und von hedonistischen Zielen geprägten Gesellschaft, in der alles erlaubt ist, wird Tapferkeit und Stärke schwer zu finden sein, es sei denn sie wendet sich gegen diese Gesellschaft und erfährt damit  selbst Widerstand.

Aus „Spirituelle Orte in Trier“ von  Joachim Heisel