LOCKDOWN

Geschrieben am 01.12.2021
von Joachim Heisel


Die Erfahrung während des letzten Lockdown hat gezeigt, dass Menschen, die ohnehin schon allein leben, ihre Einsamkeit besonders stark spüren. Schon vor der Corona-Krise gründete sich in Berlin ein Team unter dem Namen „Silbernetz“, wo sich Menschen melden können, die sich einsam fühlen und niemanden haben, mit dem sie sprechen können. Sie melden sich einmal am Tag, um zu berichten, wie sie den Tag zubringen. Während der Corona-Zeit wurde das Netz bundesweit ausgedehnt. Die Zahl der Anrufe hat sich in dieser Zeit versechsfacht.

Wenn man Soziologen glauben kann, wird in den Industrienationen Einsamkeit ein führendes Problem unserer Gesellschaft sein. In Schweden leben schon jetzt dreißig Prozent der Menschen als Single, in München gibt es mehr als fünfzig Prozent Single-Haushalte.

Nach einer Umfrage fühlt sich jeder Zehnte in Deutschland einsam, wobei diese Menschen zwar oft in sozialen Kontakten eingebunden sind aber emotionale Wärme vermissen. Jeder möchte gern auch einmal allein sein. Aber für den, der allein sein muss, weil er niemanden hat, kann Alleinsein in Einsamkeit umschlagen.

Im Johannesevangelium (vgl Joh 5,1-9) wird ein Mensch geschildert, der einsam war und niemanden hatte, der ihm half. In Jerusalem gab es  einen Teich mit Namen Bethesda. Um den Teich waren Hallen, in denen viele Kranke auf Heilung warteten, denn ein Engel des Herrn stieg von Zeit zu Zeit  herab und brachte das Wasser in Wallung. Wer es dann schaffte, in den Teich zu steigen, wurde geheilt. Jesus ging zu diesem Teich. Dort in den Hallen lag auch ein Mann, der schon achtunddreißig Jahre krank war. Als Jesus ihn da liegen sah und erkannte, dass er schon lange krank war, fragte er ihn: Willst du gesund werden? Der Kranke antwortete ihm: Herr, ich habe keinen Menschen, der mich, sobald das Wasser aufwallt, in den Teich trägt. Während ich mich hinschleppe, steigt schon ein anderer vor mir hinein. Da sagte Jesus zu ihm: Steh auf, nimm deine Liege und geh! Sofort wurde der Mann gesund, nahm seine Liege und ging.

Der  heilige Josemaria Escriva erläuterte diese Szene oft in seinen Betrachtungen. Er sagte, dass niemand – weder Frau noch Mann - in unserer Umgebung das traurige Gefühl dieses Mannes haben dürfe: Ich habe keinen Menschen, der sich um mich kümmert.

Als Menschen mit Empathie und erst recht als Christen können wir die Menschen in unserer Umgebung nicht allein lassen mit ihren Nöten und Problemen. Tatsächlich kann selbst im gleichen Haus, ja in der gleichen Familie geschehen, dass wir nicht hinschauen und hinhören. Eine der Gründerinnen von Silbernetz rüttelte auf, dass ein Mann in dem Mietshaus, wo sie wohnte, schon wochenlang tot in seiner Wohnung lag. Niemand hatte reagiert, als sein Briefkasten von Reklame-Flyern überquoll. Während meiner Praxistätigkeit in München habe ich öfter erlebt, wie Menschen nach Schlaganfällen mehrere Tage hilflos in ihrer Wohnung lagen, ohne dass es jemand bemerkt hätte.

Gerade bei den Nächsten in unserer unmittelbaren Umgebung kann es passieren, dass wir nicht reagieren, weil der graue Star des Alltags unseren Blick trübt oder weil wir Angst haben, uns ein Problem an den Hals zu schaffen.

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