DER UNBEUGSAME

Geschrieben am 09.01.2021
von Joachim Heisel


Am 21. September 1990 wurde der Richter Rosario Livatino auf dem Weg zur Arbeit auf der Autobahn in der Nähe von Agrigento auf Sizilien in seinem Auto durch Schüsse von einem vorbeifahrenden Motorradfahrer getötet. Die Tat geschah im Auftrag der Mafia. Livatino war erst 37 Jahre alt, , unverheiratet und gläubiger Katholik. Jeden Morgen besuchte er die Frühmesse in seiner Heimatpfarrei, um sich Kraft zu holen für seinen einsamen Kampf gegen die Mafia. In seinen Arbeitsakten schrieb er jeweils auf die erste Seite die Buchstaben STD , eine Abkürzung für „Sub tutela Dei“, unter Gottes Schutz. Trotz Gefährdung hatte er bewußt auf  Personenschutz verzichtet, um nicht auch noch andere zu gefährden. Zwei Jahre später wurden seine Kollegen Giovanni Falcone (1939-1992) und Paolo Borsellino (1940-1992) ,ebenfalls Mafia-Jäger, durch  ferngezündete Bomben in den Tod gerissen. Mit ihnen starben ihre Ehefrauen und mehrere Mitglieder ihrer Eskorten.

 Als Richter und Staatsanwalt verfolgte Rosario Livatino die Mafia bis in ihre Schlupflöcher und stellte sie vor Gericht. Er wurde als "der Unbeugsame" bezeichnet und galt als unbestechlich. Rosario Livatino sagte oft einen Satz, der wohl sein Lebensmotto war: „Wenn wir sterben, kommt niemand und fragt, wie gläubig wir waren – sondern wie glaubwürdig“.


Nun hat Papst Franziskus ihn seliggesprochen. Damit folgt der Papst einer Linie, die er schon bei der Selig- und Heiligsprechung von Oscar Romero (1917-1980) vorgezeichnet hatte. Dieser war als Bischof von San Salvador am 24.März 1980 wegen seines kompromisslosen Einsatzes für die Armen von gekauften Killern während einer heiligen Messe am Altar erschossen worden. Beide Männer starben als Märtyrer für die Gerechtigkeit und damit auch als Zeuge des Glaubens, aus dem heraus sie ihre kompromisslose Entschiedenheit und Kraft geschöpft hatten.


Bei seinem Pastoralbesuch auf Sizilien im Jahre 1993 besuchte Papst Johannes Paul II. die Eltern von Rosario Livatino und hielt minutenlang schweigend die Hände seiner Mutter, die ihr einziges Kind betrauerte. Schon damals bezeichnete Johannes Paul II. Rosario Livitano als Märtyrer für die Gerechtigkeit und Zeuge des Glaubens. In seiner Predigt während einer heiligen Messe in Agrigento brandmarkte der Papst die Mafia als „Zivilisation des Todes“ und sagte: “Ich rufe den Verantwortlichen zu: Bekehrt euch! Eines Tages wird Gottes Urteil über euch kommen“. 


Ein Jahrzehnt lang arbeitete Livatino als Staatsanwalt , wo er unter anderem gegen das  korrupte System der Mafia-Bestechungen und Schmiergelder für öffentliche Bauaufträge vorging. Ab 1989 war er Richter am Gericht von Agrigento.


Wenige Jahre vor seiner Ermordung sprach Rosario Livatino als junger Jurist bei einer Konferenz über den Schnittpunkt zwischen Gesetz und Glauben: "Die Pflicht des Richters ist es, zu urteilen; aber zu urteilen heißt auch zu wählen... Und gerade darin, im Urteil, um die Dinge in Ordnung zu bringen, kann der Richter, der gläubig ist, eine Beziehung zu Gott finden".


Livatinos Überzeugung, als konsequenter Katholik seine Berufung als Jurist zu leben, war mit Gefahr für Leib und Leben verbunden, denn die Mafia beseitigte jeden, der sich ihr in den Weg stellte.  Bei der Beerdigung von Rosario Livatino waren auch seine Kollegen Giovanni Falcone  und Paolo Borsellino anwesend, dazu  der italienische Staatspräsident Cossiga .

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