BOTEN DES FRIEDENS

Geschrieben am 17.03.2021
von Joachim Heisel


Die jüdische Krankenschwester Jael Cohen arbeitet in einer Kinderklinik in Jerusalem. Sie hat selbst ein einjähriges Kind zuhause. Als ein vier Monate altes Baby einer palästinensischen Mutter, die nach einem Unfall verletzt im Krankenhaus liegt, die Flaschenmilch verweigerte, hatte sie Erbarmen mit der Kleinen, die vor Hunger schrie, und legte sie an die eigene Brust, nachdem sie mit der Tante des Babys gesprochen hatte. Diese war ihr sehr dankbar und sagte, dass es nicht leicht sei, ein fremdes Kind zu stillen.

Damit hat Jael Cohen Mitgefühl gezeigt unter Menschen, die sich seit Jahrzehnten feindlich gegenüber stehen in einem Land, wo ein Jude vor zweitausend Jahren ein revolutionäres Gebot verkündet hat: "Ich aber sage euch: Liebt eure Feinde und betet für die, die euch verfolgen (Mt 5,44)". Sie hat die Mauer der Feindschaft zwischen Juden und Palästinensern an einer Stelle durchlässig gemacht.

Bei seiner Reise in den Irak hat auch Papst Franziskus unter hohen persönlichen Risiken  ein Zeichen für Friede und Versöhnung im Nahen Osten gesetzt.

Er führte  in Nadschab,  der heiligen Stadt des schiitischen Islam,  ein Gespräch mit dem geistlichen Oberhaupt der Schiiten, dem 90 jährigen Großayatollaoh Al- Sistani, der für den Frieden zwischen den Religionen im Irak eintritt.

In den letzten drei Jahrzehnten, die von Kriegen geprägt waren, hat die Zahl der Christen im Irak von 1,5 Mio. auf 300 000 Gläubige abgenommen. Bei einem Gebet in Mossul, der zweitgrößten Stadt des Irak, die drei Jahre lang dem Terror des ISS ausgesetzt war, unter dem vor allem Christen und Jesiden gelitten haben, sagte der Heilige Vater:

Vor meinem Gebet für alle Kriegsopfer in dieser Stadt Mossul, im Irak und im gesamten Nahen Osten möchte ich mit Euch folgende Gedanken teilen:

Wenn Gott der Gott des Lebens ist – und das ist er –, dann ist es uns nicht erlaubt, die Brüder und Schwestern in seinem Namen zu töten.

Wenn Gott ein Gott des Friedens ist – und das ist er –, dann ist es uns nicht erlaubt, in seinem Namen Krieg zu führen.

Wenn Gott der Gott der Liebe ist – und das ist er –, dann dürfen wir die Brüder und Schwestern nicht hassen.

Lasst uns nun gemeinsam für alle Opfer des Krieges beten, dass der allmächtige Gott ihnen ewiges Leben und nie endenden Frieden schenke und sie liebevoll in seine Arme nehme. Wir wollen auch für uns alle beten, dass wir über die religiösen Bekenntnisse hinweg in Harmonie und Frieden leben können, in dem Bewusstsein, dass wir in den Augen Gottes alle Brüder und Schwestern sind.

Gebet

Höchster Gott, Herr über die Zeit und über die Geschichte, du hast die Welt aus Liebe erschaffen und du hörst nie auf, deinen Segen über deine Geschöpfe auszugießen. Jenseits des Ozeans von Leid und Tod, jenseits der Versuchungen von Gewalt, Ungerechtigkeit und ungerechtem Gewinn, begleitest du deine Söhne und Töchter mit der zärtlichen Liebe eines Vaters.

Wir Menschen aber sind undankbar gegenüber deinen Gaben. Von unseren Sorgen und allzu irdischen Ambitionen abgelenkt, haben wir deine Pläne des Friedens und der Harmonie nicht immer erkannt. Wir haben uns in uns selbst und in unseren Eigeninteressen verschlossen. Dir und unseren Mitmenschen gegenüber gleichgültig, haben wir die Türen zum Frieden verriegelt. Damit wiederholt sich, was dem Propheten Jona über Ninive gesagt wurde: Die Schlechtigkeit der Menschen ist zum Himmel hinaufgedrungen (vgl. Jona 1,2). Wir haben unsere Hände nicht in Reinheit zum Himmel erhoben (vgl. 1 Tim 2,8), sondern von der Erde ist wieder einmal der Schrei unschuldigen Blutes aufgestiegen (vgl. Gen 4,10). Die Bewohner von Ninive hörten, wie es in der Geschichte von Jona heißt, auf die Stimme deines Propheten und fanden Rettung in der Umkehr. Wenn wir dir, Herr, nun die vielen Opfer des Hasses unter den Menschen anvertrauen, bitten auch wir dich um Vergebung und erflehen die Gnade der Umkehr:

Kyrie eleison! Kyrie eleison! Kyrie eleison! Herr, erbarme Dich.

Herr, unser Gott, in dieser Stadt bezeugen zwei Symbole die immerwährende Sehnsucht der Menschheit, sich dir zu nähern: die Al-Nuri-Moschee mit ihrem Al-Hadba-Minarett und die Kirche Unserer Lieben Frau von der Uhr. Diese Uhr erinnert alle Vorübergehenden seit mehr als hundert Jahren daran, dass das Leben kurz und die Zeit kostbar ist. Lehre uns verstehen, dass du uns deinen Plan der Liebe, des Friedens und der Versöhnung anvertraut hast, damit wir ihn in der Zeit, in der kurzen Spanne unseres irdischen Lebens verwirklichen können. Lass uns verstehen, dass es nur dann möglich sein wird, diese Stadt und dieses Land wiederaufzubauen und die vom Schmerz zerrissenen Herzen zu heilen, wenn wir deinen Plan der Liebe ohne Umschweife in die Tat umsetzen. Hilf uns, unsere Zeit nicht allein mit unseren egoistischen Interessen zu verbringen, die wir als Einzelne oder als Gruppe verfolgen, sondern im Dienst deines Plans der Liebe. Und wenn wir in die Irre gehen, dann lass uns auf die Stimme der wahren Gottesmänner hören und rechtzeitig in uns gehen, damit wir nicht wieder von Zerstörung und Tod überwältigt werden.

Für diejenigen, deren irdisches Leben durch die gewaltsame Hand ihrer Brüder und Schwestern verkürzt wurde, flehen wir um dein Erbarmen:

Requiem æternam dona eis, Domine, et lux perpetua luceat eis.Requiescant in pace. Amen.

Herr, gib ihnen die ewige Ruhe und das ewige Licht leuchte ihnen. Lass sie ruhen in Frieden. Amen,

Quelle: vatican news

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