RITUALE

Geschrieben am 11.09.2021
von Joachim Heisel


Wenn Jürgen Habermas, eine der Galionsfiguren der 68er Bewegung, im Alter von 90 Jahren seine Position als "religiös unmuskalischer" Mensch relativiert, sollte man darüber nachdenklich werden.

So sagt er in seinem jüngsten Buch „Auch eine Geschichte der Philosophie“:

„Die säkulare Moderne hat sich aus guten Gründen vom Transzendenten ( Anm. d. V. Jenseitigen) abgewendet, aber die Vernunft würde mit dem Verschwinden jeden Gedankens, der das in der Welt Seiende im Ganzen transzendiert, selber verkümmern.“ Und weiter: „Der Ritus beansprucht, die Verbindung mit einer aus der Transzendenz in die Welt einbrechenden Macht herzustellen. Solange sich die religiöse Erfahrung noch auf diese Praxis der Vergegenwärtigung einer starken Transzendenz stützen kann, bleibt sie ein Pfahl im Fleisch der Moderne, die dem Sog zu einem transzendenzlosen Sein nachgibt - und solange hält sie auch für die säkulare Vernunft die Frage offen, ob es unabgegoltene semantische Gehalte (Anm. d. V. Begriffsinhalte)  gibt, die noch einer Übersetzung „ins Profane“ harren.“

Wenn man die etwas verklausulierte Sprache entschlüsselt, meint Habermas hier, dass wichtige Fragen etwa nach der Transzendenz dieser Welt - letztlich nach Gott -  von der „säkularen Moderne“ unbeantwortet bleiben. Solange der Mensch sich damit nicht zufrieden gibt und in (religiösen) Ritualen eine Antwort darauf sucht, bleibe die Ausübung der Religion ein „Pfahl im Fleisch der Moderne“.

Habermas attestiert der Moderne eine „Verkümmerung“, da die „säkulare Vernunft „transzendenzlosem Sein nachgibt“ ,ohne Ersatz zu schaffen oder auch nur benennen zu können.

Das Transzendente zu  negieren kann bedeuten, einen Bereich der Wirklichkeit außer Acht zu lassen.

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