Meine Mutter hatte mit viel Mühe und Kontakten zu einem Haushaltswarengeschäft Vorhänge besorgt, die unten mit einem schönen Volant aus kleinen Schnüren versehen waren. Als ich einmal nachts wegen der Lichter des Oberleitungsbusses, die an der Decke des Schlafzimmers vorüberzogen, nicht einschlafen konnte, kam ich auf die Idee, diese Schnüre abzuschneiden und sie am anderen Morgen in einem Glas meiner Mutter voll Stolz als Geschenk zu präsentieren.
Ich glaube nicht, dass ich ihr damit eine Freude gemacht habe.
Ein anderes Mal hatte ich nichts Besseres zu tun, als einen Schuh aus dem Fenster im zweiten Stock zu werfen, wobei unten ein Passant schon darauf wartete, dass ich den zweiten Schuh hinterher warf, denn damals war jeder froh um ein paar Schuhe, selbst wenn sie schon gebraucht waren. Später habe ich dann auch ein Kehrblech heruntergeworfen, das einem Mann auf den Kopf fiel, der glücklicherweise durch einen Hut etwas geschützt war.
Zu guter Letzt stellte ich mich selbst aufs Fensterbrett und wäre sicher hinuntergefallen,
wenn nicht der gegenüber wohnende Nachbar meine Mutter verständigt hätte, die sich von hinten leise an mich heranschlich und mich von hinten packte und mir gehörig
den Hintern „versohlte“. Das hat der guten Erinnerung an meine Mutter nicht geschadet.
Dieses Fenster spielt auch eine Rolle bei einer Geschichte, die meine Cousine auch heute noch gern erzählt und die sich zwischen ihrer Mutter, meiner Tante Elisabeth, und mir abspielte. Tante Lissa kam jeden Morgen zu uns und nahm mich zum Einkaufen mit. Aber an einem Morgen konnte oder wollte sie mich nicht mitnehmen. Ich stand aber schon bereit zum Mitgehen da. Meine Tante saß vor dem Küchenfanster, hinter ihrem Kopf rote Geranien aus einem Blumenkasten. So klein ich war, stampfte ich ob solcher Ablehnung wütend auf den Boden und rief ihr zu: „Du bist ja so dumm, so dumm, dir wachsen ja schon die Blumen aus dem Kopf“.
Fenster waren damals übrigens eine Art Fernsehersatz. Mancher Rentner und manche müßige Hausfrau verbrachte viel Zeit am Fenster, um zu beobachten, was auf der Straße vor sich ging.
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Übrigens ist morgen am Samstag13.4., ab 13 Uhr der MARSCH FÜRS LEBEN beginnend am Königsplatz in München