Der westliche Individualismus und Narzissmus hat zu viel Einsamkeit geführt. Auch bei uns hat sich die Politik dieses Themas angenommen, vor allem nachdem bei einer Umfrage herauskam, dass sich vor allem junge Menschen in unserem Land einsam fühlen. So fördert jetzt ein Bundesgesellschaftsministerium Orte für Gemeinsamkeit und gemeinsames Erleben, nachdem in England schon vor Jahren ein Ministerium zur Bekämpfung von Einsamkeit eingerichtet wurde.
In seinem Buch „Einsamkeit, die unerkannte Erkrankung -schmerzhaft- ansteckend –tödlich“ so der Titel, schreibt der bekannte Ulmer Psychiater Manfred Spitzer: Wichtiger als die Quantität unserer sozialen Bindungen ist deren Qualität: Ein Freund, der mit einem durch dick und dünn geht, ist wichtiger als 500 virtuelle Bekannte in einem Online-Netzwerk. In seinem Buch spricht der Autor auch davon, dass es wissenschaftlich erwiesen ist, dass Einsamkeit Herz-Kreislauferkrankungen und Depressionen begünstigt und damit das Leben verkürzt. Umgekehrt kann man sagen, dass Freundschaften gesundheitsfördernd wirken. Oder auch: Freundschaften tragen zum Gelingen des Lebens bei.
In einem jetzt von mir besuchten Englischsprachkurs gab der Lehrer uns zur Hausaufgabe, wir sollten beim nächsten Mal ein Ereignis schildern, das unser Leben verändert hat und welches die Konsequenzen waren, die wir daraus für uns selbst und andere gezogen haben. Eine Teilnehmerin aus Osteuropa, etwa Mitte dreißig, erzählte, dass sie schon bald nachdem sie nach Deutschland gekommen war, geheiratet hatte und sie sich aber schon kurz danach wieder von ihrem Mann trennen musste, obwohl sie bereits eine kleine Tochter hatte. Sie fand in dieser schwierigen Situation Hilfe bei guten Freunden. Ihr Fazit: Das wichtigste, was ich daraus gelernt habe, ist, dass man gute Freunde haben muss, denn gute Freunde zu haben ist wie eine Familie haben. - Es gibt einen Trend in unserer Gesellschaft, vor allem in den großen Städten, nicht mehr die Herkunftsfamilie als wichtigstes Beziehungsfeld zu sehen sondern einen Freundeskreis. Oft ist es allein schon die große Entfernung, die eine Pflege der Beziehung zu Eltern und Geschwistern schwierig macht. Auch kann man deshalb in schwierigen Situationen oft nicht auf deren Hilfe zurückgreifen.
Freundschaft ist mehr als nur ein Gefühl. Während man sich Verwandtschaft nicht aussuchen kann, ist es bei Freunden anders. Freunde sind wichtige Ratgeber in Krisensituationen, weil sie uns gut kennen und manchmal Situationen besser einschätzen können als wir selbst und mit Rat und Tat zur Seite stehen können, wenn sie gute Freunde sind. Freunde müssen anders als Partner nicht immer perfekt sein, was Freundschaften auch manchmal stabiler macht als Partnerbeziehungen, an die wir oft hohe Ansprüche stellen. Beziehungen unter Freundinnen und Freunden funktionieren oft auch dann noch, wenn bei uns der Boden unter den Füßen wankt.
Der heilige Johannes Paul II. sagte einmal, der moderne Apostel müsse mit seinen Mitmenschen seine Freuden und Leiden teilen, seine Wünsche erahnen und sich seiner Bedürfnisse annehmen und ihnen schließlich echte Freundschaft anbieten. -Freundschaft und nicht Volksmission wie früher ist heute der Katalysator, damit wir in unserem Alltag den Auftrag Christi erfüllen: „Gehet hinaus in alle Welt und verkündet das Evangelium“. Es ist meist nicht eine Verkündigung mit Worten, sondern die Art und Weise der Atmosphäre, die wir um uns verbreiten. Oft sind die Menschen heute isoliert und leben ohne wirkliche Freunde oder Verwandte, denen sie sich anvertrauen können.
Gute Freunde können wir nur dann sein, wenn die Menschen um uns herum sich in unserer Nähe wohl fühlen. In einem Interview mit dem jahrelangen engsten Mitarbeiter eines bekannten Politikers sagte dieser: Er (der Politiker) hat wenig oder gar keine Feinde, weil alle sich in seiner Nähe wohl fühlen, weil er für jeden ein gutes Wort hat, auch für die Sekretärin und den Chauffeur und die Putzfrau und alle sich wichtig und geachtet fühlen können.
Christus hat niemanden ausgegrenzt. Wir sollten auch da in die Fußstapfen Christi treten und viele Freunde haben, denn wir haben die gleiche Botschaft wie er.
Freundschaft bedeutet Austausch und Kommunikation von Worten und Gefühlen aber auch die Bereitschaft anderen beizustehen. Da sind nun Frauen deutlich im Vorteil, denn sie kommunizieren mehr miteinander, sie gehen viel miteinander joggen und im Schwimmbad blockieren sie gleich zwei Bahnen, weil sie sich beim Schwimmen miteinander unterhalten wollen. Und auch beim Helfen sind sie schneller, weil sie auch Situationen, die Hilfe verlangen, schneller erkennen. Nach einem Autounfall, den ich vor ein paar Jahren hatte, war eine Frau die erste, die anhielt und sich um mich kümmerte. Ich war nicht schwer verletzt, aber hatte schmerzhafte Prellungen und stand unter Schock. Sie ist bei mir geblieben, bis ein Rettungswagen kam. Dafür bin ich ihr heute noch dankbar. Die Lebenswelt der Frauen bietet auch mehr Gemeinsamkeiten. Oft haben Männer nur deshalb Freunde, weil die Ehefrauen sich auch mit anderen Ehepaaren treffen wollen, um sich über Probleme bei der Kindererziehung oder im Haushalt oder auch über Beziehungsprobleme zu unterhalten. Am Sonntag – vor allem im Frühjahr und Sommer – kann man es in München an der Isar beobachten, wie junge Paare mit Kindern spazieren gehen und Männer und Frauen sich jeweils getrennt miteinander unterhalten. Nach dem Tod von Ehefrauen vereinsamen viele Männer, weil sie keine eigenen Freunde haben. Deshalb sollten Männer von ihren Frauen lernen und darauf achten, genügend eigene Freunde zu haben.
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