Manchmal möchten wir allein sein. Aber noch öfter wünschen wir uns jemanden neben uns, um uns nicht allein zu fühlen. Bevor wir auf die Welt kamen, waren wir neun Monate nie allein. Wir waren in unserer Mutter geborgen. Durch die Nabelschnur waren wir mit ihr verbunden. Wir waren eins mit ihr. Dieser wunderbare Zustand von Symbiose voller Harmonie und Gleichklang hat uns geprägt. Hier hat unser Urvertrauen in die Welt ihren Anfang. Davon zehren wir ein Leben lang. Und wir haben davon eine unstillbare Sehnsucht behalten. Das spüren wir, wenn wir an einem Strand in der Sonne liegen, unter uns der warme Sand, der sich unserem Körper anschmiegt und über uns eine mütterliche Sonne, die uns wärmt. Wir fühlen uns umfangen und geborgen im Schoß der Natur und im Gleichklang. mit ihr. Da kommen wir zum Ursprung zurück, aber auch in Grenzsituationen wie Krankheit oder Todesnähe spüren wir die Sehnsucht danach.
Bei Menschen mit Hirnabbau passiert Ähnliches. Die Gänge der Altenheime hallen wieder von Rufen nach der Mutter. Ein Freund erzählte mir, wie er in den Bombennächten des Zweiten Weltkriegs im Luftschutzkeller den Kopf in den Schoß seiner Mutter legte und dann ganz ruhig einschlief. Vor allem die Beziehung zur Mutter aber auch zum Vater ist schicksalhaft für unser Leben, manchmal vielleicht auch für den Lauf der Geschichte. Die Hand, die die Wiege bewegt, bewegt die Weltgeschichte (Gertrud von Le Fort (1876-1971).
Über Stalin schreibt ein Biograf, dass er von seinem Vater, der Alkoholiker war, häufig brutal geschlagen und misshandelt wurde, so dass sein linker Arm verkrüppelt blieb. Und der Biograf schreibt als Kommentar dazu: Es gibt wohl kaum einen Menschen im 20. Jahrhundert, der nicht von den Folgen dieser Schläge betroffen wurde.
Von Adolf Hitler berichtete der Hausarzt seiner Mutter, dass er noch nie einen Menschen gesehen hatte, der so um seine Mutter getrauert hatte wie Adolf Hitler. Auch ihn hatte sein Vater regelmäßig verprügelt. Wer weiß, ob hier nicht auch ein Schlüssel zu der schlimmen Geschichte des 20. Jahrhunderts liegt.
Bei allem, was wir planen und bedenken, sollten wir nicht vergessen, dass letztes Gelingen auch davon abhängt, wie unsere Beziehungen in der Familie ausschauen. Wir wären schlecht beraten, wenn uns Digitalisierung, Gleichstellung und Berufstätigkeit der Frau, Co2-Neutralität, Wachstum von Wirtschaft und Wohlstand ein berechtigtes Anliegen wären, wir aber die Sorge für die Gestaltung unserer primären Beziehungen in den Familien vom Beginn an außer acht ließen.
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