Der französische Theologe Adolphe Tanqueray sagt in seinem Buch „Spirituelles Leben": Das übernatürliche Leben ist ein Leben, in dem Gott die Hauptrolle spielt, wir nur eine Nebenrolle.
Das klingt erstaunlich und herausfordernd.
Unter „übernatürlich" versteht die Theologie eine Wirklichkeit Gottes, die unserem natürlichen Sinn verborgen ist. Nur Gott kann uns diese Wirklichkeit zugänglich machen.
Aber wir können etwas dazu tun, um Gott in unserem Leben mehr Raum zu geben: In einem ersten Schritt können wir ihn darum bitten, dass sein heiliger Geist uns hilft, unser Denken, Fühlen und Handeln stärker auf Ihn auszurichten. Die Lebensprinzipien dieses übernatürlichen Lebens mit Gott heißen: Glaube, Hoffnung und Liebe, die sogenannten göttlichen Tugenden, die uns bei der Taufe verliehen werden.
Aber es ist wie im Körper: Wer die Muskeln nicht betätigt, bekommt Muskelschwund und Osteoporose.
Wir sollten auf die Anregungen Gottes eingehen, mehr zu glauben, stärker zu hoffen und uns seiner Liebe zu öffnen.
Im Alten Testament der Bibel im Buch der Könige führt Gott den Propheten Elias in die Wüste zum Berg Horeb. Als er dort darauf wartet, dass Gott zu ihm spricht, kommt ein Sturm auf, aber Gott ist nicht in dem Sturm. Dann entstehen ein Erdbeben und ein Feuer, doch auch darin war Gott nicht. Schließlich kam ein leises Säuseln und in diesem Säuseln sprach Gott (vgl. 1 Kö 19,11-13).
Auch in unserem Leben kommt eine Melodie von Gott her, und wir sollen sie auch in ihren Obertönen hören. Durch den Lärm, den wir selbst machen, kann es sein, dass wir sie überhören. Hören auf die Melodie Gottes heißt an erster Stelle, Zeit für Gebet finden. Eine Beziehung braucht Pflege, Zeit zum Hören.
Im gleichen Buch der Könige wird uns noch eine andere Geschichte vom Propheten Elias erzählt: Es war eine Hungersnot im Land und Elias war dem Tode nahe. Da traf er in der Nähe der Stadt Sarepta eine Witwe, die dürres Holz aufsammelte. Er sprach sie an und bat sie, ihm eine Mahlzeit zu bereiten. Sie antwortete ihm: „Ich bin gerade dabei, für mich und meinen Sohn eine letzte Mahlzeit zu bereiten, die wir noch zu uns nehmen werden, und dann wollen wir sterben." Auf das Wort des Propheten hat sie dennoch zunächst ihm eine Mahlzeit gebracht und siehe da, was der Prophet ihr versprochen hatte, als er sie darum bat, trat ein: Das Mehl fürs Brot und das Öl in ihrem Topf ging nicht zu Ende bis die Hungersnot vorbei war. Eine Frucht ihres Glaubens an den Propheten Elias und an Gott, der ihn gesandt hatte (vgl. 1 Kö 17,8-24).
So können wir - im übertragenen Sinne - wenn wir uns Zeit fürs Gebet nehmen, obwohl wir meinen, eigentlich keine Zeit zu haben, darauf vertrauen, dass Gott uns mehr Zeit geben wird als wir zu haben glauben.
Wenn wir uns Zeit fürs Gebet nehmen, werden wir nach und nach auch in unserem Alltag die Anregungen Gottes wahrnehmen können. Der Glaube wird unserem Tun und Wandel Sinn über den Tag hinaus geben, die Hoffnung Zuversicht auch im Widrigen und die Liebe wird uns zur Versöhnung mit den anderen bereit machen.
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