GEHEILIGT WERDE DEIN NAME

Geschrieben am 29.10.2025
von Joachim Heisel


Den Namen Gottes heiligen bedeutet, sein Leben  aus der Nähe zu Gott zu leben. Christus sagt zu den Jüngern: »Ihr habt gehört, dass gesagt worden ist: Du sollst deinen Nächsten lieben und deinen Feind hassen. Ich  aber sage euch: Liebt eure Feinde und betet für die, die euch verfolgen, damit ihr Söhne eures Vaters im Himmel werdet; denn er lässt seine Sonne aufgehen über Bösen und Guten, und er lässt regnen über Gerechte und Ungerechte. Wenn ihr nämlich nur die liebt, die euch lieben, welchen Lohn könnt ihr dafür erwarten? Tun das nicht auch die Zöllner? Und wenn ihr nur eure Brüder grüßt, was tut ihr damit besonderes? Tun das nicht auch die Heiden? Ihr sollt also vollkommen sein, wie es auch euer himmlischer Vater ist« (Mt 5,43-48). Ein  anderes Mal sprach  er  von dem  Schweren, das in seiner Nachfolge liegt: »Wer mein Jünger sein will, der verleugne sich selbst, nehme sein Kreuz auf sich und folge mir nach« (Mt 16,24). Und dann wieder, als wolle er das  Schwere  und Harte wegnehmen:  »Mein Joch  drückt nicht, und meine Last ist leicht« (Mt 11,30).
Die Forderung Christi nach Vollkommenheit können wir nur schwer verstehen. Schließen sich Menschsein und Vollkommenheit nicht aus? Jeder Mensch ist unvollkommen und hat Fehler. Das gehört zur Definition des Men-schen. Es ist sogar wichtig, dass wir uns auch mit unseren Fehlern akzeptieren. Wenn wir uns wirklich als Kinder vor Gott fühlen, wird uns das  auch nicht  allzu schwerfallen. C.G. Jung sagt einmal: »Bevor wir nach Vollkommenheit streben, sollten wir imstande sein, das Leben des gewöhnlichen Menschen zu leben, ohne unser Leben verkümmern zu lassen.« Ein bemerkenswerter Satz, der ergänzt werden kann durch eine Bemerkung des hl. Franz von Sales: »Wir möchten wie  Engel  leben  und  versäumen  dabei  manchmal, gute Menschen  zu sein.« – Als Christen dürfen wir die Bodenhaftung nicht verlieren. Der Christ soll dort die Vollkommenheit suchen, wo er im Leben hingestellt ist.

Wie kann Christus Vollkommenheit von uns fordern? Jesus sagt es uns: »Seid barmherzig, wie es auch euer Vater ist!« (Lk 6,36). Das deutsche Wort Barmherzigkeit hat als Kern das Wort Herz. Die Vorsilbe kommt von arm. Barmherzig ist also derjenige, der ein Herz für die Armen hat. Für Jesus  ist Barmherzigkeit  die wesentliche  Eigenschaft Gottes aber auch des Menschen. Jesus zeigt uns hier einen Weg,  wie  wir  den  Vater  nachahmen  können.  Wenn  ein Mensch gegenüber einem anderen Menschen barmherzig ist,  überschreitet  er sich selbst. Er  lässt seine  egoistische Natur hinter sich. Er steigt herab vom Thron seiner  eingebildeten  Vollkommenheit  und  nimmt  gegenüber  dem Anderen  die  Haltung  ein,  mit  der  Gott  dem  Menschen begegnet. Indem er barmherzig ist, wird der Mensch Gott ähnlich. Der Mensch wird  dann  in  gewisser Weise  vollkommen wie sein himmlischer Vater.


Diese barmherzige Liebe soll auch in der sozialen Ordnung ihren Ausdruck finden. Viele Errungenschaften un-serer westlichen Zivilisation beruhen auf dem Gedanken des Schutzes der sozial Schwächeren. Sie gründen letztlich in der christlichen Barmherzigkeit, die den Menschen den rein rationalen und utilitaristischen Bewertungen entzieht. Wenn wir  aber  beginnen, sie  einigen schwächeren  Glie-dern der Gesellschaft zu entziehen und sie auszusortieren, greifen wir die Grundlage dieser Zivilisation an.

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