Ist es Zufall, dass alles, worüber wir uns beklagen, die Gereiztheit auf den Straßen, der Sittenverfall im Netz, die Atomisierung der Gesellschaft, die schwindende Orientierung, die Hoffnungslosigkeit der Jugend, der Abstieg liberaler Demokratien, der Aufstieg autoritärer Staaten in dem Moment begonnen hat als unsere Kommunikation anfing, digital und in Echtzeit abzulaufen? Und warum bekommt man, wenn man ein Problem mit dem Handy oder einer Flugbuchung hat, eigentlich kaum noch einen echten Menschen an den Apparat? Warum muss man sich immer mit Chatbots auseinandersetzen, die einen falsch oder gar nicht verstehen? Warum kriegt man immer seltener einen Namen, eine Adresse, eine Nummer, an die man sich vertrauensvoll verwenden kann?… Wir sehen doch, dass das Netz die Menschen nicht zusammenführt, voneinander entfernt, dass die Solidarität nicht zunimmt, sondern schwindet, dass uns der Rhythmus und das richtige Maß abhandengekommen sind, aber keiner traut sich, etwas zu sagen, weil es systemisch ist, weil wir sonst im internationalen Vergleich zurückfallen. Ich glaube, dass sich die Technologie, nachdem sie uns lange bereichert hat, längst gegen uns gewendet hat, dass sie uns eher behindert als nützt, dass sie uns zeitlos, ängstlich und einsam macht. Sicher wird das Leben schneller, bequemer und praktischer, aber es ist das, was wir brauchen?.
Aus dem Buch „Unter Heiden “ von Tobias Haberl, erschienen im Oktober 2024 im btb Verlag S.182/183
Am 1.April 2025 hat Tobias Haberl im Bildungszenzentrum Weidenau eine wunderbare Lesung aus seinem Buch gehalten und mir dabei die Erlaubnis gegeben, jederzeit aus seinem unheimlich spannenden und luciden Buch zu zitieren
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